piwik no script img

„Das Weib schweige in der Gemeinde“

■ Ein Gemeindepfarrer in Nürnberg duldet partout keine Kollegin an seiner Seite

Bayreuth (taz) – Als Feind der Frauen fühlt er sich nicht, nur predigen möchte er sie in der Kirche nicht hören. Michael Schmidt (47), evangelischer Gemeindepfarrer an der Nürnberger Christuskirche, duldet keine Pfarrerinnen in seiner Gemeinde.

Möglich macht das der weithin unbekannte „Macho-Paragraph“ in der bayerischen Landeskirche. Bei der Einführung der Frauenordination vor 20 Jahren – Bayern war das letzte Bundesland – wurde männlichen Bedenkenträgern die Zustimmung dadurch versüßt, daß gegen ihr Veto keine Frau angestellt werden darf. Bei Schmidt wurde diese Diskriminierung erstmals zum Skandal. Der verheiratete Geistliche beruft sich auf das Paulus-Wort: „Das Weib schweige in der Gemeinde.“ Der Gottesmann, der sich rasant an päpstliche Frauenbilder annähert, ist sich keiner Schuld bewußt: „Mir geht es viel mehr um Schriftgemäßheit als um Zeitgemäßheit. Männer und Frauen sind gleichwertig, aber nicht gleichartig. Ich kann es nicht als den Willen des Herrn der Kirche erkennen, daß eine Frau Pfarrerin wird.“

Daß Schmidt mit dieser Meinung durchkommt und die antiquierte Regelung wohl das Jahr 2.000 überdauert, dafür sorgte die Landessynode. Obwohl es in der Bibel heißt: „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein, alles andere stammt vom Bösen“, einigten sich die um zwanghafte Harmonisierung bemühten Synodalen auf einen feigen Kompromß: Der Veto- Paragraph bleibt vorerst und wird erst mal zur Begutachtung in die landeskirchliche Verfassungskommission überwiesen. Bischof von Loewenich, der Frauen offiziell für „einen Segen in der Kirche“ hält, hatte die Vertagung der Entscheidung mit einem seltsamen Argument vorgeben: „Nur wenige Pfarrer haben von diesem Paragraphen Gebrauch gemacht.“

Eigentlich ein Grund mehr, die Regelung nach 20 Jahren klerikaler Frauenemanzipation zu kippen, zumal sie eindeutig gegen die bayerische Kirchenverfassung verstößt, nach der Frauen und Männer „gleichwertige Glieder der Kirche Jesu Christi sind“. Die Kirchenfrauen hatten denn auch wenig Verständnis für die Beibehaltung des alten Zopfs: „Das entwürdigt Kirche, Frauen und Männer gleichzeitig“, meinte die Synodalin Renate Vollertsen. Die städtische Nürnberger Frauenbeauftragte Ida Hiller ist der gleichen Meinung: „Die Weigerung, eine ausgebildete Pfarrerin auf die Kanzel zu lassen, kommt einem Berufsverbot gleich.“

Auch der Kirchenvorstand der Christuskirche wünscht sich dringend eine Pfarrerin. Noch haben die 100 Schäfchen, die sonntags zum Gottesdienst kommen, Schmidt nicht boykottiert, aber daß er nicht mehr gern gesehen wird, spürt er: „Ich werde mich wohl bald nach einer anderen Pfarrerstelle umschauen.“ Manfred Otzelberger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen