: Eine dreijährige Erfolgsstory namens RAA
■ Die „Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen“ kümmern sich um alles
Beginnen wir mit einer kleinen Weihnachtsgeschichte: Alijana Hebilovic kann nun endlich studieren, weil sie wichtige Papiere aus Sarajevo wiederbekommen hat. Die junge Frau aus Westbosnien hatte sich dort im Fach Ökonomie eingeschrieben, bis die Serben sie vertrieben. Sie landete schließlich in einem Flüchtlingsheim in der Stadt Brandenburg und lernte eifrig Deutsch, um ihr Studium in Potsdam fortsetzen zu können. Doch dort machte man ihr Schwierigkeiten, weil sie nicht nachweisen konnte, daß sie in Bosnien auch schon Studentin gewesen war. Ein Flüchtling, so lautet eine ungeschriebene Regel der deutschen Bürokratie, hat seine Flucht ordentlich zu vollziehen und kiloschwere Dokumentenmappen mitzuschleppen. Während der Wartezeit ließ sich Alijana bei der „Regionalen Arbeitsstelle für Ausländerfragen“ (RAA) zur „Multiplikatorin“ für zukünftige Entwicklungsprojekte in Bosnien ausbilden. Die größte Multiplikatorin aber ist die in Berlin, Brandenburg und allen anderen ostdeutschen Ländern ansässige RAA selber. Wie eine Superglucke sitzt sie zumindest im Lande Brandenburg überall, wo es um AusländerInnen und Flüchtlinge geht. Mittels einer Kurierin der unter RAA-Fittichen gegründeten Initiative „Brandenburg hilft Bosnien“ hielt Alijana bald die heißersehnte Immatrikulationsbescheinigung in den Händen und konnte sich an der TU einschreiben. Vor drei Jahren nahm die RAA Brandenburg unter Leitung der früheren AL-Politikerin Hilde Schramm in Potsdam ihre Tätigkeit auf. Damals war die RAA noch ein klitzekleines Projekt mit drei MitarbeiterInnen, heute sind mehr als 40 Menschen dabei: Eine beachtliche Erfolgsstory.
Am Anfang standen die Bemühungen, die soziale Isolation der Kriegsflüchtlinge und AsylbewerberInnen in den Heimen zu durchbrechen. Ab Oktober 1992 boten RAA-MitarbeiterInnen muttersprachlichen Unterricht und Deutschkurse an, betreuten kriegstraumatisierte Frauen und alte Menschen. Bald darauf folgten die ersten vom RAA organisierten schulischen „Projektwochen gegen Ausgrenzung und Jugendgewalt“ und das Kindergarten- und Hortprojekt „Kinder entdecken die eine Welt“.
„Kluge Umwege finden“ ist dabei ein Motto der RAA. Ihre MitarbeiterInnen wissen genau, wie sinnlos es wäre, die Jugendlichen mit dem Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit moralisch niederzukartätschen. Statt dessen organisieren sie „Türöffner“: Betreut von RAA-Niederlassungen verbrachten acht junge US-Amerikaner den Sommer 1994 in den Örtchen Hermersdorf und Tauche, berichteten dort über ihr Land und boten Workshops, Diskos und Sprachkurse an. Zweites Beispiel: das Projekt „Lokalhistorische Studien zu 1945 im Land Brandenburg“. Für Schulen und Jugendclubs entstanden liebevoll gestaltete Geschichtsbilderbücher, die die Kids erfolgreich dazu animierten, Nazizeit und Kriegsende in ihrem eigenen Dorf zu erforschen.
Eine weitere Initiative ist zum Vorzeigeprojekt geworden: das Friedensdorf Storkow. Dort, wo einst Brandflaschen gegen AusländerInnen flogen, wohnen inzwischen Deutsche und BosnierInnen friedlich zusammen. Ein vom Notärztekomitee Cap Anamur und dem Mobilen Beratungsteam der RAA initiierter Verein holte arbeitslose Jugendliche von der Straße und stellte sie für den Bau einer weißen Reihenhaussiedlung als Auszubildende ein.
Wohl einmalig ist auch das Sprachprojekt „Spotkanie“ an Grundschulen längs der deutsch- polnischen Grenze. Ziel des seit 1994 laufenden Vorhabens „Spotkanie heißt Begegnung – ich lerne Deine Sprache“ ist es, „die Sprachbarrieren an der schärfsten Sprachgrenze Europas abzubauen“, und so, wie es bisher aussieht, sind die Kinder beiderseits der Grenze mit Begeisterung dabei. Ute Scheub
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