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Hungerstreik gegen drohende Auslieferung

■ Berliner Kammergericht hält Auslieferung des mutmaßlichen ETA-Mitglieds Ramos Vega für zulässig

Aus Angst vor einer drohenden Überstellung an spanische Behörden ist das mutmaßliche ETA-Mitglied Benjamin Ramos Vega kurz vor Ende des Jahres in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Der Grund: Das Berliner Kammergericht hatte am 27. Dezember überraschend entschieden, daß die Auslieferung des 32jährigen Katalanen zulässig sei. Ramos Vega, der seit rund einem Jahr in Haft ist, wird von den spanischen Behörden vorgeworfen, für das „Kommando Barcelona“ der baskischen Untergrundorganisation konspirative Wohnungen in der katalanischen Hauptstadt angemietet zu haben.

Im Oktober hatte das Kammergericht in einem Zwischenbescheid von der spanischen Regierung Garantien im Falle einer Auslieferung verlangt – darunter die medizinische Betreuung des HIV- Infizierten sowie die Zusage, daß keine unter Folter erpreßten Geständnisse gerichtlich verwertet würden. Die Erklärung des Gerichts hatte auf seiten der spanischen Regierung Empörung ausgelöst und für diplomatische Verstimmung zwischen Madrid und Bonn gesorgt.

Für die jetzige Entscheidung des Gerichts sei offenbar die am 13. November erfolgte Zusage der spanischen Botschaft gegenüber dem Bundesjustizministerium ausschlaggebend gewesen, mutmaßten gestern Ramos Vegas Anwälte Petra Isabel Schlagenhauf und Nicolaus Becker.

Vorsorglich kündigten die beiden Anwälte eine Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß des Gerichts an. Unklar sei noch, ob das höchste Berliner Verfassungsgericht oder das Bundesverfassungsgericht angerufen werde, erklärte Schlagenhauf. Sie gehe davon aus, daß das Bundesjustizministerium, das über den Fall Ramos Vega abschließend entscheidet, den höchstrichterlichen Beschluß abwarten und die Auslieferung bis dahin nicht vollziehen werde. In ähnlich gelagerten Fällen sei dies bislang „guter Brauch“ gewesen, meinte Schlagenhauf.

Nach Angaben der Anwältin wird der ohnehin angegriffene Gesundheitszustand ihres Mandaten durch den Hungerstreik weiter geschwächt. Ramos Vega, der in der Justizvollzugsanstalt Moabit sitzt, verweigert seit dem 30. Dezember jede Nahrungsaufnahme. Außerdem übt er nach eigenen Angaben „friedlichen Ungehorsam“, wie es in einer von ihm unterschriebenen zweiseitigen Erklärung heißt: „Ich kann die wortreichen Garantien des spanischen Staates hinsichtlich korrekter Gesundheitsversorgung nicht glauben.“

Sollte er in die Hände der spanische Behörden fallen, so Ramos Vega weiter, werde man Druck ausüben und ihn an seiner „Schwachstelle angreifen“, der Gesundheit. Durch die Auslieferung werde zudem versucht, die Verbindung zu seiner deutschen Lebensgefährtin zu zerstören. Dieser Grund allein reiche aus, um den Hungerstreik durchzuführen. Gabriele K., die ebenfalls der ETA- Unterstützung verdächtigt wird und der bei einer Einreise in Spanien die Verhaftung droht, hatte Vega Mitte Dezember in Moabit geheiratet. Severin Weiland

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