■ Querspalte: Als wär's gestern gewesen
Alles überstanden? Sämtliche Fragephrasen und all das? Nichts passiert? Gut. Überhaupt Silvester: Ohne Mundschutz traute man sich auf keine Party (wg. Virus A), für andere gehört auf alle Fälle noch Neujahrsspringen-Gucken dazu, bei Sahneheringen mit Pellkartoffeln und zwei bis fünf Stützbieren. Dann sind sie durch, dann erst ist das vergangene Jahr erledigt und mausetot.
Das Dumme an 1996 so far: Man kennt es nur dem Namen nach. Aber eines können wir vermeiden: daß wir wie im letzten Jahr überrascht werden von Gedenktagen. Plötzlich hieß es „50 Jahre Kriegsende“, und man sah sich gezwungen, Debatten zu führen. Damit ähnliches nicht noch einmal passiert, an dieser Stelle der Gedenktag-Trailer für 1996.
Am 15. August vor 900 Jahren – wie die Zeit vergeht! – machten sich Gottfried von Bouillon, Graf Raimund von Toulouse und ein paar andere auf, Jerusalem zu befreien. Das Unternehmen wird noch heute der Erste Kreuzzug genannt. Ein zweiseitiger Jubiläumsaufsatz für die Tiefdruckbeilage der FAZ ist in Arbeit. Am 30. März vor 250 Jahren erblickte Francisco José de Goya das Licht der Welt. Mindestens drei Feuilleton-Beiträge werden als Aufhänger jene Radierung wählen, auf der der „Schlaf der Vernunft“ Ungeheuer gebiert. Sieht toll aus. Womit wir schon bei den 100. Todestagen wären. In chronologischer Reihenfolge: Paul Verlaine, Clara Schumann, Otto Lilienthal (Absturz), Anton Bruckner und schließlich Alfred Nobel. Und dann ganz bald ist es wieder soweit. Am 31.12.1996 wird Helmut Kohl zum 15. Mal zu seinem Volk reden. Er wird uns und den Mittelstand auffordern, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Als wär's vorgestern gewesen. Die gute Nachricht: Der ADAC hat längst reagiert. Der motorwelt (1/1996) zufolge können die Beschäftigungslosen unter uns jetzt Staumelder werden. Einzige Voraussetzung: Man muß telefonieren können. Vorerst gibt es nur Teilzeitjobs, aber wenn wir alle mithelfen, können bestimmt Tausende von Stellen geschaffen werden. Dietrich zur Nedden
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