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SanssouciVorschlag

■ Kreuzberg spielt sich selbst: Die „Linsenstraße“ im Eiszeit

Erdbeben, Super-GAU, Palastrevolution? – Nein, nicht deshalb war die taz am 8. Dezember in ganz Kreuzberg ausverkauft, sondern wegen der Beilage zum zehnjährigen Jubiläum der „Lindenstraße“. Es soll Leute geben, die noch nie eine Folge der original Münchner Familiensaga gesehen haben und beim Namen der Hauptperson an Eimer oder Weimar denken. Solchen TV-Banausen sei's gesagt: In die Kreuzberger Coverversion kann man noch einsteigen. Heute läuft erst die vierte Folge der „Linsenstraße“. Was ursprünglich – sagen wir, in der Dieffenbachstraße – als Gag begann, ist mittlerweile ein Geheimtip der Einheimischen dieses Bezirks, denn die Leute, „vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben“, spielen sich selbst. Die Polit- und Kunstfossile der früheren Mauerstadt sind in der „Linsenstraße“ das, was sie immer schon sein wollten: berühmte Dichter, geniale Regisseure, verliebte Dilettanten, bankrotte Weltverbesserer, Trödler mit Akzent, Gemüseverkäufer mit Charme, Tunten mit blumiger Zukunft. Natürlich wird das Ganze durch unerfüllte Liebe, gelebte Eifersucht und angedeutete Kleinkriminalität so richtig spannend. Seifenoper pur eben. Selbst wenn man der noch etwas unausgereiften Story manchmal nicht ganz folgen kann, wird gelacht – man könnt's ja selber sein.

Christiane Nalezinski – der Biographie zufolge keine übermäßig erfolgreiche Schauspielerin – hat die „Linsenstraße“ aus der Taufe gehoben. Jetzt ist sie Regisseurin, Drehbuchautorin, spielt die derzeit in Liebesdinge verstrickte Marlene, ist Cutterin und zudem noch die Fernsehansagerin. Während sie die Zuschauerpost beantwortet – Frau Gogge vermißt Tiere in der Serie, und Herr Müller-Olgast kann die Linsenstraße in keinem Stadtplan finden –, läuft sie zu Höchstform auf, auch deshalb, weil man sie gut versteht. Denn noch krankt die No-budget-Produktion vor allem an fehlender Technik. Immerhin wird die Produktion der nächsten Folge von einer Modedesignerin begleitet, die mit der Ausstattung der „Linsenstraße“ ihre Diplomarbeit machen will. Wenn die „Linsenstraßen“-Produzenten auch noch debütierende Beleuchter, Tontechniker und Kameraleute finden, kann die Zukunft doch noch rosig werden. Waltraud Schwab

Folge 4 heute, 16 Uhr, Eiszeit, Zeughofstraße 20, Kreuzberg

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