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Polnisch statt sächsisch

■ Seit "TV Polonia" nachmittags für die 30.000 Polen in Berlin auf dem Kabelplatz des MDR senden darf, hagelt es Zuschauerproteste mit antipolnischen Parolen

Eigentlich wäre es doch ganz normal, wenn die in Deutschland lebenden Türken, Italiener und Polen im Kabelnetz einen heimatlichen Sender vorfänden. Doch ach, die Kabelnetze der Telekom sind längst überfüllt. Mit Polen hat die Bundesrepublik ein Kulturabkommen geschlossen, in dem sich beide verpflichten, mindestens ein Programm des anderen Landes auszustrahlen. Nur mit der Umsetzung hapert es noch etwas. Bisher war TV Polonia nur in den Kabelnetzen von Hamburg und München zu sehen. Seit dem 18. Dezember empfangen es nun auch die 30.000 Polen in und um Berlin. Und plötzlich gehen die Proteste los. Wenn in dieser Region statt des ausgedruckten MDR-Programms täglich von 12.30 Uhr bis 18 Uhr das polnische Fernsehen gesendet wird, stehen die Zuschauertelefone beim Mitteldeutschen Rundfunk nicht mehr still.

Der MDR war natürlich mit dieser Entscheidung der Medienanstalt Berlin-Brandenburg alles andere als einverstanden, klagte dagegen und verlor zunächst einmal. Also leitet er die Proteste der wütenden Zuschauer an die Medienwächter weiter. „Bis zu fünfzig Beschwerden kommen am Tag“, registriert dort Verwaltungsleiter Hans-Georg Pusch. Im Prinzip hat er ja Verständnis, schließlich werden nun die Ländermagazine des MDR ohne Ankündigung mitten im Film abgeschaltet. Aber erschüttert sind er und seine MitarbeiterInnen doch, daß man rund der Hälfte der Anrufer gar nicht erklären könne, warum die Frequenz aufgeteilt wurde. Die seien nur aggressiv, und das meist mit antipolnischen Sprüchen. „Erst klauen sie uns die Autos und dann die Fernsehkanäle“, wird da dem gesunden Volkszorn freier Lauf gelassen. „Deutsches Geld für deutsche Sender“ – wer Kabelgebühren zahlt, glaubt damit auch ein Recht auf seine Sender gepachtet zu haben. Und schließlich, so wüten die meist Ostberliner Zuschauer, habe es „keine Volksbefragung“ darüber gegeben, ob man einen polnischen Sender wolle, und schwingen dann den allerschwersten Hammer: „Das ist ja schlimmer als in der DDR.“

Die Medienanstalt hält das Splitten der Frequenz dagegen für das kleinste Übel: Schließlich strahlt der MDR während der Hälfte des Nachmittags ohnehin das gleiche Programm wie das Dritte Programm des SFB aus (ansonsten gucken die Fans der Uraltfolgen der „Lindenstraße“ jetzt vergeblich in die Röhre). Zudem ist das Ganze ein Kompromiß: TV Polonia würde natürlich „am liebsten das ganze Programm senden, wie in München und Hamburg“, sagt Iwona Bocian, die in der Warschauer Zentrale für die internationale Verbreitung zuständig ist. Die Berliner Polen, die nach 18 Uhr von der Arbeit kommen, sehen bisher gar nichts von ihrem Heimatprogramm.

Bleibt die Frage, warum die Zuschauer nicht vernüftig informiert werden, wenn von deutsch auf polnisch und zurück geschaltet wird. MDR-Justiziarin Karola Wille weist die Verantwortung zurück: Man strahle schließlich für die ganze Bundesrepublik dasselbe Signal aus und müsse sonst alle Zuschauer damit behelligen. Sie schiebt den schwarzen Peter auf die Medienanstalt. Die solle doch den Netzbetreiber Telekom verpflichten, beim Senderwechsel eine Informationstafel einzublenden. Michael Rediske

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