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Der geistige Großvater ist tot

■ Der ehemalige französische Staatspräsident François Mitterrand starb gestern nach langer Krankheit in Paris

Paris (AFP/dpa/rtr/taz) – Gestern vormittag unterbrachen die französischen Rundfunk- und Fernsehsender ihr normales Programm. Mit Sondersendungen würdigten sie den ehemaligen Staatschef François Mitterrand, der am Morgen um 8.30 Uhr an den Folgen seines Krebsleidens gestorben war. Als die Nachricht vom Tod des einstigen sozialistischen Hoffnungsträgers bekannt wurde, versammelten sich spontan viele Menschen, vor allem junge, vor dem Büro und der Wohnung des Expräsidenten. Ein junges Mädchen nannte Mitterrand unter Tränen den „geistigen Großvater“ ihrer Generation. Mitterrand bestimmte die Politik Frankreichs zwischen 1981 und 1995 und damit länger als jeder andere Politiker seit Napoleon III.

Auch zahlreiche Politiker erwiesen Mitterrand die letzte Ehre, darunter sein konservativer Amtsnachfolger Jacques Chirac, der ihn als eine „große Figur seines Landes“ würdigte. Während seiner Amtszeit habe Mitterrand „eine bedeutende Seite in der Geschichte unseres Landes“ geschrieben, sagte Chirac. Er habe den europäischen Aufbau entschlossen vorangetrieben. Premierminister Alain Juppé erklärte, Mitterrands „Vision des europäischen Kontinents“ und die „besonderen Beziehungen, die er zu Deutschland unterhalten hat“, blieben ein Meilenstein in der Geschichte Europas. Der Parteichef der Sozialisten, Lionel Jospin, betonte die Rolle, die der Verstorbene innerhalb der französischen Linken gespielt habe.

Mitterrand starb im Alter von 79 Jahren in den Räumlichkeiten in der Avenue Frédéric Le Play in Paris, die ihm nach seinem Ausscheiden aus dem Amt am 17. Mai 1995 zur Verfügung gestellt worden waren. In seiner Sterbestunde war sein Arzt Jean-Pierre Tarot bei ihm. Mitterrand war seit der vergangenen Woche bettlägerig. Nach Angaben seines Arztes war er bei klarem Verstand und starb friedlich. Auch seine Frau Danielle und seine beiden Söhne waren am Sterbebett zugegen.

Mitterrand hatte die Weihnachtsferien mit seiner Familie in Ägypten verbracht und war am 29.Dezember erschöpft nach Hause zurückgekehrt. Noch während seiner Amtszeit hatte er sich zwei Prostata- Operationen unterziehen müssen. Seitdem war er in chemotherapeutischer Behandlung. Der Expräsident wird auf eigenen Wunsch am Donnerstag in seinem Heimatort Jarnac in aller Stille beigesetzt. Zeitgleich wird jedoch vermutlich in Paris eine offizielle Trauerfeier stattfinden.

In Deutschland würdigten Bundesregierung und Spitzenvertreter der Bonner Parteien Mitterrand als großen Staatsmann und „Europäer“. Bundeskanzler Helmut Kohl sagte, über lange Jahre hinweg hätten er und Mitterrand vertrauensvoll bei der Gestaltung Europas und bei der Vertiefung der deutsch-französischen Freundschaft zusammengearbeitet. Nach den Worten des SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine habe Mitterrand in seinem gesamten politischen Wirken der Freundschaft beider Länder beim Aufbau Europas ein besonderes Gewicht beigemessen. Die Vorstandssprecher der Grünen, Krista Sager und Jürgen Trittin, erklärten, Mitterrand habe viele Hoffnungen, die sich bei seinem Amtsantritt 1981 mit seinem Namen verbunden hätten, nicht erfüllt. Seine Name werde aber immer mit dem Bemühen um die Einigung Europas verbunden bleiben. Seiten 2 und 3

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