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„Wenn schon altväterlich, dann verrückt“

■ Hermann Peter Piwitt mit Lesung und Vortrag über das „Spannungsirresein“

Leichtigkeit, so scheint es, war Hermann Peter Piwitt schon immer unerträglich. Das Thema seines Vortrags am Dienstag in der Uni heißt Katatonie und Geselligkeit. Katatonie, da muß auch der Studierte nachschlagen, heißt laut Fremdwörterlexikon „Spannungsirresein“. Nachdenklich sensible Zeitgenossen, erläutert der Dichter, reagierten auf das aktuelle Neo-Biedermeier mit einer Art „spannungsgeladener Versteinerung“. Von Grabbe, Lenz und Büchner bis Faßbinder und Werner Schwab neigten sie in solchen Zeiten eher dazu, sich umzubringen, irre zu werden oder früh zu sterben.

Piwitt hat es nur ganz langsam die Sprache verschlagen in seinen letzten zwei Romanen (Der Granatapfel, Die Passionsfrucht). Noch aus dem Verstummen wurde ihm Kunst, Rhapsodisches, recht malerische Sprachruinen.

Jetzt hat er zur Sprache zurückgefunden. Einen Tag vor Katatonie und Geselligkeit wird der Dichter aus dem in Arbeit befindlichen Roman Ein unversöhnlich sanftes Ende vortragen. Darin erzählt Piwitt sogar wieder richtige Geschichten. „Aber“, betont er, „nicht sozialdemokratisch abgeschmeckt, in der Form noch hinter Balzac zurück in diesem grauslichen 1:1 Realismus, der dem Literarischen Quartett so gut gefällt. Nein, wenn schon altväterlich, dann wenigstens verrückt.“

Erzählen könne man doch heute nur noch über Irre oder Tiefverletzte. Er erlebt sie, wenn er in der U1 Richtung Ochsenzoll fährt, „in mein Lieblingsschwimmbad“.

Piwitt hat die Visionen der Aufklärung nie aufgegeben. „Visionen sind als Totale nicht mehr möglich, nach allem, was geschehen ist“, sagt er. „Ihre totale Verwerfung aber hat Irrsinnsfolgen.“ Mit Händen zu greifen. Nicht nur im Arbeitsamt.

„Inzwischen“, heißt es in Piwitts Generalabrechnung, „sind wir interniert im geschlossenen System der einen Welt, die nun nur noch ,Leben' heißt. Wer Geld hat, kommt zwar noch überall hin, aber nicht mehr raus.“ Drinnen sitzt, ohne Bewährung, der Dichter und schreibt. Aber: „Wie können Tiroler wissen was Berge sind, wenn sie doch darin wohnen?“ Distanz, von Mauern und Bergen so gut wie von Macht- und Nutzungsverhältnissen bringt einzig der „fremde, schiefe Blick des Externen“.

Piwitt, der tags durch die Stadt streunt wie durch den Clip eines Alptraums und die Nächte in Glotze und Büchern versackt, liebt Witze statt Zeigefinger: „Treffen sich zwei Yetis. ,Du', meint der eine, ,gestern habe ich Reinhold Messner gesehen'. Der andere staunt: ,Ach, den gibt's wirklich?'“

Stefan Siegert

Lesung: Montag; Vortrag: Dienstag, Philturm der Universität, Hörsaal E, 20 Uhr

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