: Gehört: Coolio und Teodross Avery
Gehört: Coolio. Wie Kinderschokolade ist der Rapper aus L. A. etwas für jede Altersgruppe: Sorglose Pennäler standen im Gaswerk neben ihren Erziehungsberechtigten, Bubis neben Plattenbossen, die der Goldene-Schallplatten-Verleihung harrten. Und eigentlich warteten alle auf den einen Song. Daran konnte auch L V, der Soulbarde bei „Gangstas Paradise“, wenig ändern. Sein Solo-Programm geriet zum Zungenkuß für Schnauzbartträger. Coolio lieferte dann zunächst einen ungeschlachten Durchlauf durch die Rap-Geschichte plus abgestandenem Funk, fern jedes Pop-Appeals. Und bald wurde klar: Coolios Bühnenreife geht in der großen Halle nicht auf. So ein Gesicht braucht Nahaufnahmen. Überzeugender war der Soundtrack-Mann zu Dangerous Minds als Lehrer. Sein deutlicher Appell, Kondome zu benutzen, ging dabei nicht wie andere Brandreden in seinem vernuschelten Slang unter. Doch irgendwie ließ all sein Bemühen die Halle kalt, jeder wartete auf das eine Stück. Den Bruch zwischen dem Rapper und dem Money-Maker verstärkte er noch über die Show. Ersterer wurde mit Gewehrsalven von der Bühne gejagt. Letzterer kam in Priesterkutte zurück und predigte sein Ghetto-Requiem „Gangstas Paradise“. Ein One-Hit-Wunder mit didaktischen Fähigkeiten.
V. Marquardt/ Foto: jms
Gehört: Teodross Avery. Sind die jugendlichen Neobopper für den Jazz von heute, was die europäischen Dixie-Restauratoren in den 50ern und 60ern waren? Zugegeben, der Gedanke hat einiges für sich, und die Art, in der Teodross Avery beim Hot Jazz Meeting im CCH präsentiert wurde, scheint ihn zu bestätigen: als würdiger Erbe nämlich, und daß man um die Zukunft des Jazz keine Angst zu haben braucht, solange es solchen Nachwuchs gibt. Nun ist jedoch das Bemühen um Wohlklang bei Avery nicht gegen eine revolutionäre Avantgarde gerichtet – die gibt es im zeitgenössischen Jazz nämlich gar nicht. Hier geht es eher um das Restaurieren von Jazz schlechthin. Erstaunlich genug, daß es bei diesem seltsam kulturpessimistischen Projekt doch gelegentlich interessante Resultate gibt. Auch bei Teodross Avery wird man das Gefühl nicht los, daß sich die Musik eigentlich gegen seine theoretischen Überzeugungen ihren Bann bricht. Verzweifelt wartet man auf den Moment, in dem er seinen Respekt vor den Jazz-Ikonen vergißt und endlich einfach losspielt. Aber statt dessen präsentiert er einen neuen Titel namens „Sphere“ als eine kompositionshandwerklich überaus geschickte Thelonious-Monk-Montage. Und dennoch: Man mag die Hoffnung so schnell nicht aufgeben.
Detlef Diederichsen
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