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Zwei Ehrenerklärungen für die deutsche Heimleitung abgegeben

■ Im Asylbewerberheim von Landsberg geht die Angst um. Die Flüchtlinge sollen bezeugen, daß sie nicht bespitzelt wurden

Landsberg (taz) – Die „Erklärung“ der Flüchtlinge klingt so, als seien sie in ihrem Aufnahmelager niemals bespitzelt worden. 74 Asylbewerber aus Togo haben unterschrieben, daß sie die Berichte über fortwährende Paßkontrollen und übereifrige Detektive (taz vom 3. Januar) für „verleumderische Manöver“ der Medien halten. Und kaum daß ein neuer Vorwurf angedeutet wird, wird er bereits abgestritten: „Es gibt keinen Fall, daß die Post für Asylbewerber kontrolliert wird“, heißt es in einer Erklärung, die von mehr als 200 Flüchtlingen aus dem Kosovo unterzeichnet ist.

Fragt man allerdings einzelne von ihnen, klingt das ganz anders. Agbeko Mawuli*, ein Asylbewerber aus Togo, erzählt, wie die „Ehrenerklärung“ seiner Landsleute für das Heim und dessen Chef Rolf Cavelius zustande kam. So seien am vorvergangenen Sonntag alle Togolesen im Flüchtlingsheim versammelt worden, um einen herumgereichten Zettel zu unterschreiben.

Dabei habe ihnen ein Mitarbeiter des Heims erklärt, es gebe zur Zeit Probleme mit Journalisten; unter anderem werfe man der Heimleitung vor, daß das Essen schlecht sei und daß Briefe geöffnet wurden. „Dies sollten wir mit unserer Unterschrift dementieren, wobei wir nicht genau wußten, was wir unterschrieben – denn der eigentliche Text der Erklärung stand gar nicht dabei.“

Außerdem sei das, was über das angeblich intakte Postgeheimnis in der Erklärung steht, schlicht falsch, sagt Mawuli. Er selbst habe auf dem Flur einmal beobachtet, wie ein Wachmann vom offiziell engagierten „BWS-Sicherheitsdienst“ die Post eines togolesischen Nachbarn kontrolliert habe.

„Der Wachmann brachte meinem Bekannten einen Brief und forderte ihn auf, den Umschlag sofort zu öffnen“, sagt Mawuli. „Als der Brief geöffnet war, hat der BWS-Mann ihn wieder genommen und gelesen. Anscheinend war der Inhalt für das Heim interessant – denn der Wachmann hat sofort einiges daraus abgeschrieben.“ Als sein Bekannter schließlich fragte, ob das nötig sei, lautete die knappe Antwort des Wachmanns: „Ich mache nur meine Arbeit.“

Das Ergebnis von solchen Kontrollen und der merkwürdigen Unterschriftenaktion ist in Landsberg zu spüren: eine Atmosphäre der Angst. So hat auch Mawuli einige Tage gezögert, mit taz-Journalisten zu sprechen – weil er weiß, daß die Heimleitung lieber Erklärungen von der netten Sorte hört, und weil er deshalb Sanktionen fürchtet.

Das Mißtrauen der Asylbewerber untereinander ist groß. „Die Flüchtlinge verdächtigen sich zur Zeit gegenseitig, Informationen nach draußen zu geben“, sagt Mawuli. Und selbst wenn ein Flüchtling sich von einem Rechtsanwalt beraten läßt, verschweigt er das seinen Zimmernachbarn. Denn hier weiß jeder, was die Heimleitung empfiehlt und erwartet: „Vom ersten Tag an hat man uns deutlich gemacht, daß wir besser keinen Rechtsanwalt nehmen“, sagt Lama Abalo*, ein anderer Asylbewerber. „Ständig haben wir von der Heimleitung und vom Sozialdienst gehört, daß Anwälte schlecht arbeiten – und jedem wurde deutlich, daß ein Kontakt nach außen unerwünscht ist.“

Was die Heimleitung zu solchen Aktionen veranlaßt, läßt sich schwer erklären. Denn Heimleiter Rolf Cavelius wird von den Asylbewerbern nicht als Despot beschrieben. „Wenn es unter den Flüchtlingen Schwierigkeiten gab, sind wir bisher immer zu ihm gegangen“, sagt Mawuli. Cavelius habe sich oft bemüht, bestätigt eine Frau, die sich häufig um Flüchtlinge kümmert. „Nur scheint er immer dann auszurasten, wenn Flüchtlinge Kontakt nach außen haben.“ Mawuli ist sich sicher, daß es unangenehme Folgen hätte, wenn sein richtiger Name bekannt würde, und es birgt für ihn ein Risiko, wenn er beschreibt, wie das Briefgeheimnis verletzt und merkwürdige „Erklärungen“ produziert werden. Warum er das trotzdem macht? „Es ist einfach die Realität hier im Heim. Daß in Togo ein Diktator an der Macht ist, liegt daran, daß in diesen dreißig Jahren keiner die Wahrheit gesagt hat.“ Felix Berth

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