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Das PortraitDer Hardliner

■ Nikolai Jegorow

Befürworter des Tschetschenienkriegs: Nikolai Jegorow Foto: Reuter

Die Ernennung Nikolai Jegorows zum Chef der Administration des russischen Präsidenten hat in liberalen Moskauer Kreisen für Irritation gesorgt. Dem 44jährigen übergewichtigen Landwirtschaftsfachmann eilt der Ruf voraus, ein unversöhnlicher Falke zu sein. Vor seinem Eintritt in die Moskauer Nomenklatura stand Jegorow als Gouverneur dem südrussischen Kreis Krasnodar vor. Im November 1994 wurde er Nationalitätenminister und tat sich bald als unbeugsamer Befürworter einer militärischen Lösung des Tschetschenienkonflikts hervor. Unvergessen seine Worte bei Kriegsausbruch: Tschetschenien sei ein hervorragender „Platzdarm“ – eine militärische Aufmarschbasis –, um dort binnen kurzem wieder Ordnung zu schaffen. Seine Prognose traf nicht ganz zu. Ihm gelang es kaum, seinen Haß auf die Tschetschenen zu verbergen. Von seinem sonstigen Wirken als Minister für Nationalitätenfragen wurde nur wenig sichtbar. Im Kampfanzug weilte er zuweilen an der Front mit den Chefs der anderen „Kraftministerien“ und dem Leiter des Föderalen Sicherheitsdienstes. Damit signalisierte er, daß das Nationalitäten- wieder zu einem Kolonialministerium geworden war.

Das Geiseldrama von Budjonnowsk im letzten Juni sorgte für einen Karriereknick. Der mittlerweile auch den Rang eines Vizepremiers bekleidende Hardliner hatte die Stürmung des Krankenhauses mit abgesegnet, bei der Hunderte Menschen starben. Jelzin enthob ihn seiner Ämter, um ihm ein Plätzchen als Berater für Nationalitätenfragen „beim Präsidenten“ einzurichten. Womit er sich dort beschäftigte, hat die Kremlmauern bis heute nicht durchdrungen.

Jegorow gilt als ein etwas ungehobelter Provinzler mit nur bescheidenem Intellekt. Seine Berufung verblüfft. Denn Jelzin hatte den Krieg in Tschetschenien in seiner Neujahrsansprache als eine der traurigsten Erfahrungen bezeichnet, und schließlich war der neue Leiter des Apparats eine der treibenden Kräfte dieser Aktion. Auch sagt man ihm nach, in keiner Funktion auf föderaler Ebene besonderen Erfolg gehabt zu haben. Doch gilt er als ein Mann Alexander Korschakows, des Leibwächters und Intimus des Präsidenten, der ebenfalls ein Freund primitiver Lösungen ist.

In der Administration könnte Jegorow die Aufgabe zufallen, die undichten Stellen zu stopfen, um die Vorgänge im Kreml noch intransparenter zu gestalten. Klaus-Helge Donath

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