: Der Stadtstaat braucht mehr Kultur
■ Axel Weber, aktiv bei den Bremer Theaterfreunden und bei der Landesbank, sieht Investitionen in die Kultur als Investitionen in die Zukunft des Landes Bremen
Von Wirtschaft und Kultur versteht er gleichmaßen etwas: Axel Weber hat 1987 den Verein der Bremer Theaterfreunde mitgegründet, war lange Zeit im Aufsichtsrat der Theater GmbH und arbeitet im Vorstand der Bremer Landesbank. Im derzeitigen Theaterstreit hielt sich der Verein bislang im Hintergrund. Sein Anteil an der Debatte dürfte aber nicht unerheblich sein: Derzeit zählt der Freundeskreis rund 400 Mitglieder, die u.a. begleitende Veranstaltungen organisieren, demnächst sogar einen eigenen Theaterpreis vergeben und das Sümmchen von 25 000 Mark an Fördergeld zum Theaterhaushalt zubuttern.
taz: Ihre augenblicklichen Aktionen stützen ja deutlich den Intendanten. Kann es sein, daß Sie auch einmal gegen den Intendanten sind? Ich denke da gerade an die unsäglichen Jahre mit Tobias Richter und Hans Günther Heyme. Mischt sich da der Verein ein und wie?
Weber: Ja. In der Ära Richter und Heyme war ich im Aufsichtsrat des Theaters und da wurden durch Mc Kinsey die Abläufe überprüft. Da konnte der Kostenapparat tatsächlich etwas runtergefahren werden. Nach Richter kam das wirkliche Unglück, an dem ich – sag ich selbstkritisch – selbst mitgewirkt habe. Mit Heyme, von dem wir wußten, daß der mit Geld nicht umgehen konnte, hatten wir ganz schnell einen Skandal. Gott sei Dank ist Pierwoß jetzt der richtige Mann zur richtigen Zeit, ein Glücksumstand.
Sie machen das alles ja einerseits, weil Sie ganz einfach Theaterfan sind. Kulturpolitisch möchte ich da aber genauer nachfragen: wenn wir einmal davon absehen, daß natürlich Tarifverträge nicht gebrochen werden dürfen, sind nicht langfristig doch Fragen an die Strukturen der Staatstheater zu stellen?
Ja, mit Sicherheit. In Deutschland können wir uns diese große Theaterdichte nicht mehr leisten, die das Erbe der vielen Kleinstaaten sind.
Und die Strukturen selbst? Wie ist es denn mit dem Verhältnis von festen und variablen Ausgaben an einer solchen Instutition?
Das sagt sich so einfach. Wer bestimmt denn über die Strukturen? Wir haben eine Entwicklung, daß die Tarifverträge alle bindend sind, mit dem Ergebnis, daß Solisten oftmals zu schlechtesten Gagen arbeiten. Und so besteht die Gefahr, daß durch feststehende Ausgaben der Künstlertopf als einziger variabler immer kleiner wird. Und dadurch ist der eigentliche Kulturauftrag, eben Kultur zu machen, nicht mehr möglich.
Die Chance des subventionierten Theaters ist ja die künstlerische Qualität, auch Kompromißlosigkeit, die nicht auf Zuschauerzahlen schielen muß. Der künstlerische Wert mißt sich ja nicht daran, wie viele Leute kommen. Wie wird das in Ihrem Verein diskutiert?
Klar. Ich finde, ein Mix ist richtig. Es müssen Experimente sein, aber man muß sich auch mal entspannen. Kaufmännische Prinzipien gelten schon: Wenn für bestimmte Aufführungen mehr Leute kommen, können diese Gelder in die künstlerischen Kosten gehen. Es liegt also auch am Theater selbst.
Sie waren ja mal in der SPD, sind vor der letzten Wahl ausgetreten. Wo liegt das Versagen der SPD im Kulturbereich? Welche Hoffnungen haben Sie in Herrn Nölle gesetzt und wie sehen Sie in diesem Kontext Frau Kahrs?
Gibt's ein kulturpolitisches Programm der SPD? Ich kenne keine Unterlage, mit der ich mich jemals auseinandergesetzt hätte. Als Mann der Wirtschaft weiß ich, daß ein reiches Kulturleben, was Bremen übrigens dank vieler Initiativen hat, ein weicher Standortfaktor für Ansiedelung ist. Wenn es schwierig sein wird, industrielle Arbeitsplätze zu sichern, wäre Kultur als Dienstleistungsbetrieb nicht nur ein weicher Standortfaktor, sondern ein Wirtschaftsfaktor selbst.
Der Finanzsenator will 60 000 Einwohner mehr und 50 000 Arbeitsplätze.
Ja, aber wie er das erreichen will, hat er noch nicht gesagt: möglicherweise eben nicht im industriellen Bereich, sondern in einem Dienstleistungsbereich der Kultur. Wir gefährden also mit dieser Diskussion um Einsparungen eine Kultureinrichtung, die möglicherweise noch einen ganz anderen Stellenwert bekommt. Das kritisiere ich, das halte ich für leichtfertig. Allerdings wird der Kulturbereich aus dem WAP ergänzt: Die Verzahnung zwischen Kultur und Wirtschaft nicht nur im Sinne von Sponsoring, sondern als Wirtschaftsfaktor scheint erkannt zu sein. Ich wünschte mir, daß man auf dieser Ebene noch mehr investiert: Gedanken und Vorgehen.
Zu den WAP-Mitteln immerhin in Höhe von zehn Millionen Mark: Darf die Wirtschaft für Vergabe dieses Geldes an die Kultur Bedingungen stellen?
Wir in der Bank lehnen Bedingungen ab. Die wären nie inhaltlich, das geht nicht. Keine inhaltlichen Auflagen. Wir als Theaterfreunde gehen auch nicht ins Inhaltliche. Wir können loben oder kritisieren, aber mitreden? Nein. Das gilt auch für den Wirtschaftssenator. Wir müssen investieren in die Bereiche, die Wirtschafts- und Finanzstruktur des Landes Bremen stärken, weil wir ja mal wieder auf eigenen Füßen stehen wollen. Inwieweit Kultur da ein Pfeiler sein kann, ist die Hausaufgabe, die jetzt ressortübergreifend gemacht werden muß.
Frau Kahrs hat ja schon einiges wieder zurückgenommen. Warum ist sie am Anfang so haarsträubend vorgeprescht?
Es ist bedauerlich, daß die Dinge so eskaliert sind. Der Finanzsenator sagte erst mal, wir müssen überall sparen, der kann nicht Inhalte vorgeben. Also Rasenmäherprinzip, und die Ressorts müssen nun sehen, wo sie das sparen. Und da Frau Kahrs sich was vorgenommen hat in Bezug auf die freien Theater, sah sie vielleicht da eine Chance. Dieser Prozeß ist viel zu früh öffentlich gemacht worden. Daß sie anfangs in die Inhalte gegangen ist – das ist aber aufwendig, so viel Beleuchtung und so, warum muß denn Wagner sein, die sollen doch nach Hamburg fahren – das ist tödlich, so ein Argument in Bremen zu nennen. Das ist unglücklich formuliert aus der Situation, daß sie immer mehr an die Wand gedrückt wurde. Ganz zum Schluß gibt's dann immer Sieger und Verlierer, das finde ich so schädlich. Ich wünschte, daß beide eine Brücke finden und sie einen Kompromiß schließen. Wobei keine Abstriche an der Substanz gemacht werden können. Pierwoß hat einen Vertrag. Aber man muß fair miteinander umgehen und intern! Es ist ja so schlimm in Bremen, daß alles sehr schnell und erst halb verdaut auf dem öffentlichen Markt ausgetragen wird.
Haben Sie kein Verständnis dafür, daß Pierwoß und Rempe nach der Zumutung von Frau Kahrs sich auf der Stelle für Öffentlich-keit entschlossen haben?
Doch schon. Schade ist es aber trotzdem.
Günther Rühle von der Akademie der Darstellenden Künste hat zur ersten Protestveranstaltung im Theater gesagt, wenn Bremen selbständig sein will, dann muß es auch seine Institute entsprechend ausstatten: die Uni, die Museen, die Bibliotheken ...
So ist das. Die politische Führung muß entscheiden: Ist Theater konsumptive Ausgabe oder ist sie Investition auch in den Erhalt und in die Zukunft? Und ist sie dann bessere Investition als Tunnel und Straßenbahnlinie vier?
Aber dies als Position wird ja so nirgendwo erarbeitet, jedenfalls nicht von Frau Kahrs. Sie könnte doch mit dieser Position in den politischen Ring gehen?
Sicher. Kultur und Wirtschaft sind verzahnt und deswegen Senatsaufgabe. Man sollte niemanden alleine dort hängen lassen. Aber was ist denn hier im Augenblick eigentlich noch drin? In was investieren wir denn? Wo ist denn die Perspektive? Für mich zählt dazu: Standort Kultur. Kultur ist also eine hochpolitische Aufgabe. Erst recht, wenn andere Kulturstandorte in der Provinz aufgeben müssen.
Die alte Empfehlung des Städtetages:Drei Prozent des Gesamthaushalts für die Kultur. Wir sind inzwischen als Schlußlicht bei 1,2 Prozent angelangt. Müßte es nicht sogar mehr sein als 3 Prozent?
Es müßte mehr sein. Das Interessante ist, wir können das auch, wenn wir die Ausgaben als Investition begreifen. Wir haben zu Recht Angst, konsumptive Ausgaben zu erhöhen. Aber wenn Theater Investition in die Zukunft ist, wie auch Museen, Wissenschaft usw., dann muß man daraus etwas zimmern. Bremen ist die zehntgrößte Stadt von der Einwohnerzahl her und hat im Vergleich von 52 Städten den vorletzten Platz im Zuschuß pro Bewohner. Das muß man sich mal vorstellen.
Fragen: Ute Schalz-Laurenze
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