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„Sparen ist auch im Theater nichts Ehrenrühriges“

■ Im Gespräch: Michael Derda, Intendant des Waldau-Theaters, über Fettleibigkeit in der Verwaltung und neue Zuschauerschichten

Michael Derda ist Intendant des Waldau Theaters, das sich auf niederdeutsche Stücke spezialisiert hat. Das ursprünglich mit 1,5 Millionen Mark subventionierte Theater war kurzfristig ganz zum „Speeldeel“ herabgesunken und mit 275.000 Mark völlig verarmt. Als Derda hier Intendant wurde, verfügte er über 1,15 Millionen Mark. Seitdem hat sich das Theater erholt und wird für die wachsenden Zuschauerzahlen und Einspielergebinsse in Zukunft mit höheren Zuwendungen belohnt.

Wie sehen Sie die kulturpolitische Lage? Im Februar werden einige wichtige Entscheidungen fallen.

Michael Derda: Die Entscheidungen sind längst gefallen. Im Moment bewegt sich gar nichts mehr. Wenn das erst mal so bei der Senatorin auf dem Schreibtisch liegt, dann geht es auch so durch. Das einzige ist, daß die Goetheplatzgeschichte noch mal überdacht wird.

Es gibt ja Kulturpolitiker in Bremen, die sagen, die Leute sollen doch nach Hamburg fahren, wenn sie was Gutes sehen wollen.

Nee. Wenn wir über Musical reden würden. Aber im Theater sehe ich das nicht so. Der Goetheplatz hat eine große Tradition und es ist ein Jammer, daß das in den letzten Jahren, vor Pierwoß, so runtergekommmen ist.

Man muß Theater für die machen, von denen man das Geld bekommt. Wenn ich natürlich für die „Zeit“ und den „Merkur“ Theater mache, ist das eine Sache, wenn ich für die Stadt, von der ich das Geld bekomme, Theater machen will, dann ist das die andere Sache. Das haben Pierwoß' Vorgänger versäumt.

Wie gestalten Sie den Spielplan, um erfolgreicher zu werden?

Das hört sich jetzt vielleicht ein bißchen kaufmännisch an, aber ich muß versuchen, die Zuschauer so zu bedienen, daß das Produkt gekauft wird. Für den Spielplan heißt das, ich muß das niederdeutsche Theater, das ist ja die Nische, erhalten und qualitativ verbessern. Bei den Stücken muß ich von den ganz platten wegzukommen und auch Literatur spielen, wie Ibsen und Hauptmann.

Und auf der anderen Seite muß ich das bieten, was fehlt in Bremen. Das ist gutgemachtes Unterhaltungstheater, kein Klamauk. Mit den Gastspielen zusammen war das erfolgreich. Da hatten wir Plate, und Badesalz und das Palastorchester hier und da kam bei vielen das Aha-Erlebnis: Das ist ja gar nicht in der „Glocke“ oder im „Modernes“, sondern in Walle. Walle liegt ja ab vom Schuß.

Bei Lutz Görner kamen dann sogar die Viertelbewohner mit ihren Rädern. Und die sitzen seitdem dann auch in der Generalprobe. Zuvor waren da ja nur die mittelalterlichen Zuschauer aus Walle, aber jetzt sind auch immer mehr Studenten da.

Erreicht haben Sie also bei ihrem Theater den Erfolg über die Mischung?

Und über die Qualität. Und wenn wir die Forderung stellen und die ist berechtigt: „Kratzt nicht am Kulturetat!“, dann müssen wir auch unseren Teil dazu tun.

Was wäre das?

Auch wir im Theater haben viel Fett angesetzt, haben Speck angesetzt. Und wir müssen uns dann schon fragen, ob es nötig ist, Werkstätten und Schneidereien aufgebaut zu haben, wo es früher mit 5 Schneidern ging und da jetzt 15 Leute sitzen.

Schaun sie mal: Ein Theateretat wie der in Nürnberg, da ist die ganze Verwaltung so aufgebläht. 47 Millionen und davon nur 4,5 Millionen für das Schauspiel, für die Bühne selbst. In Nürnberg war es einfach so: Wer bei der Stadt in einer Abteilung Mist gebaut hatte, der wurde zum Theater versetzt.

Der letzte Verwaltungsdirektor kam von der Müllabfuhr, was ja nicht ehrenrührig ist. Was mich wundert ist, wenn es heißt, da kommt ein Sparintendant. Also erst mal ist ja Sparen nichts Ehrenrühriges. Wenn man heute sagt, bei VW kommt ein Sparmanager, wird sofort positiv gewertet: Kleinere Motoren, weniger Abgase. Am Theater wird das sofort negativ bewertet, alle denken, der will das Theater zu machen. Vielleicht müssen wir einmal anfangen an den dicken Pfründen einzusparen, denn der Bühnenbereich wird immer enger.

Was sagen die Publikumszahlen in Walle?

Das ist ja insgesamt in Bremen beachtlich. Die Stadt hat 500.000 Einwohner, davon sind 250.000 Erwachsene, und davon gutmütig gerechnet die Hälfte Theaterinteressierte. Das heißt für uns: Jeder Bremer war im letzten Jahr einmal im Waldautheater.

Wie steht es mit der Senatorin?

Frau Kahrs war noch nicht da

Und Frau Motschmann?

Auch nicht.

Und Frau Emigholz?

Nein, die hat sich auch nicht bei mir gemeldet. Keine der drei Damen hat bei mir geklopft und sich gemeldet. Ich hab es schon ganz schön schwer hier.

Ist so etwas wie die Schließung des Schillertheaters in Berlin auch in Bremen vorstellbar?

Ich glaube, das hatte Signalwirkung, als das Schillertheater in Berlin geschlossen wurde, so ratzpatz mit der Fliegenpatsche. Ich glaube ganz einfach, daß wir uns bewegen müssen, dringend, um den Wind denen aus den Segeln zu nehmen, die sagen, jetzt machen wir euch doch alle zu.

Die Sorge ist, daß plötzlich die Fliegenklatsche kommt und der große Aufschrei ist ausgeblieben. Wagenladungen Busse sind nicht nach Berlin gefahren. Vor 15-20 Jahren war schon mal in Bremen der große Theatertod angesagt. Auf dem Marktplatz war eine große Versammlung. Ganz Theaterdeutschland kam. Flimm hat eine große Rede gehalten. Jetzt, mit den 3 Millionen Kürzungen, ist Pierwoß mit dem gleichen Argument auf den Marktplatz gegangen, hat gesagt, Theatertod droht. Ja, so aufregend war der Krawall nicht.

Fragen: Susanne Raubold

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