■ Demonstrieren fürs Telefonieren?: Kappt die Leitung!
Es ist, als würden die achtziger Jahre noch einmal aufflackern. Zehntausend Entrechtete zürnen, und eine Pfarrerin macht Mut: „Wenn Greenpeace Shell besiegt, können wir auch die Telekom besiegen.“ Alle zwei Wochen soll nun gebührend demonstriert werden. Wo die Massen in Bewegung sind, dürfen natürlich auch die Reinickendorfer Grünen nicht fehlen. Die wollen nämlich dafür kämpfen, eine erst im letzten Sommer eingerichtete Telefon-Warteschleife im Bezirksrathaus wieder abzuschalten.
Das alles macht sprachlos. Wie gut, daß es wenigstens Friedrich Küppersbusch gibt. Der hat nämlich zakig erkannt, daß auch die Lust am Datenfluß nur eine Modeerscheinung ist, und gab sich kurzerhand als Maschinenstürmer und Gegner der neue Technologien zu erkennen. Der Mann hat recht! Telefonieren im Überfluß, das sagen auch Ärzte und Apotheker, kann im Ernstfall zum sozialen Stillstand führen. Ganz abgesehen von den Geisterfahrern auf dem Daten-Highway oder den finsteren Gesellen, denen es vor lauter Einsamkeit im Internet die Sprache verschlagen hat und die sich nun frustriert an die Spitze des Protests klicken. Warum nicht gleich Steine schmeißen für eine Gebührensenkung, auf daß auch der Geschlechtsakt im Cyberspace künftig preiswerter werde?
Berlin steht auf dem Kopf, und keiner fordert das Naheliegende: das Beste aus den neuen Gebühren zu machen. Wo Menschliches in Gefahr ist, hilft schließlich nur die digitale Verweigerung. Nicht nur, daß man die Telekom hübsch auf dem Börsenparkett zum Rutschen bringen könnte – der Zettelkasten an der Wohnungstür und ein Kurzbesuch bei Oma Krause sind außerdem noch billiger als zwölf Pfennig, nämlich für Nulltarif zu haben. Uwe Rada
Siehe Bericht Seite 24
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