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"Jetzt geh' ich mal Risiko"

■ Nationalspieler Jens Todt ist der "Vorzeigehansel des südbadischen Fußballwunders": Nun aber ahnt er, daß beim SC Freiburg "ein Abschnitt zu Ende" ist - und denkt sehr an Abschied

taz: Ich will nicht der erste sein, der dieser Mannschaft den Rücken kehrt, haben Sie einmal gesagt.

Jens Todt: Ja, der erste ist weg. Es sind mehrere weg.

Und in Freiburg wird, Zitat Todt, „nichts mehr so sein ...

„... wie es mal war.“

Was bedeutet?

Die Außenseiterrolle ist ausgereizt, die des Nobodies, der ganz billigen, der anderen Manschaft. Das macht man ein, zwei Jahre, dann ist das ausgelutscht von vorne bis hinten. Dann bist du irgendwann eine etablierte Bundesligamannschaft im Mittelfeld.

Im Geschäft der Extreme mag das nicht sehr aufregend klingen. Könnte, wenn irgendwo, nicht in Freiburg das Unaufgeregte dauerhaft gelingen?

Man würde sicher mehr Zuschauer ziehen, wenn man im Abstiegskampf steht oder vorne spielt. Auf Dauer Mittelmaß: Da wirst du Zuschauer verlieren, das wird sich alles normalisieren. Klar ist Klasse, wenn's eng ist, auf und ab geht, aber der Trainer muß ja das Ziel haben, zumindest dauerhaft im Mittelmaß zu spielen, damit die Zukunft auch wirtschaftlich gesichert ist. Daß das mit dem Bild nicht übereinstimmt, das von uns zwei, drei Jahre gestrickt wurde, ist schon klar. Nur, was soll's?

Ein Klub kann in größeren Zeitspannen denken. Die Zeit eines Fußballers ist begrenzt. Hier sieht's nun eher so aus, als ...

... wär' so ein Abschnitt zu Ende ...

... und könne die Zukunft nicht annähernd konkurrieren mit dem, was war.

Ja, das stimmt. Einige Spieler werden vor diesen Fragen stehen in nächster Zeit. Bestimmt.

Fußball funktioniert auch durch Gefühle.

Es geht ja auch gar nicht nur um Geld. Es geht darum, daß du überlegst: Okay, wir sind im ersten Jahr ganz, ganz knapp dem Abstieg entronnen, im zweiten sensationell Dritter geworden, im dritten hatten wir eine Riesenkrise am Anfang und haben dann vielleicht noch die Kurve gekriegt. Das kannst du irgendwann nicht mehr überbieten. So eine Achterbahnfahrt. Dann sagst du vielleicht: Okay, seh' ich mal was anderes.

Immerhin sind Sie nicht irgendein Spieler, sondern der „Vorzeigehansel des südbadischen Fußballmärchens“ ( Hattrick ). Oder soll jetzt Alain Sutter Vorzeigehansel sein?

Ja, ist er. Der hat natürlich eine viel auffälligere Spielweise. Dann hat er, was beim Fußball auch für die Medienwirksamkeit wichtig ist, blonde, lange Haare. Das ist so bei der Sat.1-Berichterstattung: Da bist du mehr im Rampenlicht. Ich bin der Vorzeigehansel, weil ich die ganze Entwicklung mitgemacht habe, 1991 hergekommen bin, die alte Geschichte, blablabla, äh ... der Trainer hat mich mitgenommen ...

... und Sie einst in Gemeinschaftskunde unterrichtet ...

Genau ... deswegen bin ich der Vorzeigehansel.

Und das haben Sie satt?

Das ist eine Mentalitätssache. Ob einer sagt, ich spiele meine drei, vier Jahre, die mir bleiben, noch in Ruhe; auf der Basis, die ich kenne. Da wird's keine großen Schwankungen geben, weder gehaltsmäßig noch sportlich. Da hast du alles im sicheren Fahrwasser.

Oder?

Oder du sagst, jetzt geh' ich mal Risiko und geh mal woanders hin. Wenn es die Möglichkeit gibt.

Die gab es früher auch schon. Welches Risiko ist größer: Gehen? Oder bleiben und irgendwann den Arsch gar nicht mehr hochkriegen?

Es gibt bestimmt die Gefahr, in Selbstzufriedenheit zu ertrinken. Weil alles so lieblich ist. Nett. Die Stadt ist ja auch so schön und wir sind alle so gut befreundet.

In Dortmund, Stuttgart, auch in Hamburg würde man mit einem „heut gilt's“-Gefühl in jeden Tag gehen.

Das stimmt natürlich. Hier trainiert man nicht jeden Tag um sein Leben. Logisch. Aber ich weiß nicht, ob sich in München alle Spieler jeden Tag neu beweisen müssen. Aber es ist natürlich grundsätzlich eine andere Arbeit. Bei uns kucken 20 Kinder zu, da Minimum 50 Journalisten.

Trainieren Sie anders, intensiver, wenn Sie in einer anderen Gruppe sind? Beim Nationalteam?

Ja, ja. Bei mir ist das schon manchmal so. Hier kenne ich ja meine Pappenheimer. Mit denen bin ich ziemlich lang zusammen, da weiß ich auch, was die machen. Da kann ich auch, wenn ich aus irgendeinem Grund schlecht geschlafen habe, ein bißchen weniger machen, logisch. Das kann ich dosieren. Aber da: Grade als einer, der auf der Kippe steht, muß man ja Vollgas geben.

Nur Berti Vogts bringt den großen Kick?

So einen Effekt kann's ja auch geben, wenn man mal den Verein wechselt. Eine neue Umgebung, neue Mitspieler, das kann ja auch mal hilfreich sein ... ein kleiner Kick.

Dafür darf man mancherorten Lederhosen tragen.

Man tut immer so, als wären das so schlimme Sachen, die man bei Bayern München machen muß. Wir haben auch unsere Sponsoren. Wir stellen uns auch drei, vier Mal im Jahr gefönt in Pose. Es ist schon ein bißchen komisch, daß die dann in Sepplhose fotografiert werden. Im Grunde machen wir aber nichts anderes, nur auf einer etwas harmloseren Ebene. Klar ist das nicht alles so schön. Aber wir haben keinen Grund mehr, das kritisieren zu können. Das Gespräch führte

Peter Unfried.

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