: Der Regenmacher Von Mathias Bröckers
Wilhelm Reich, Psychoananlytiker und Schüler Freuds, betrachtete die emotionale Energie nicht als rein seelisches immaterielles Geschehen, sondern als ein reales biophysikalisches Fließen. Doch merkte er schon bald, daß die geringen bioelektrischen Schwankungen bei weitem nicht ausreichten, die mächtigen Ausbrüche psychischer Energien zu erklären.
Bei mikroskopischen Beobachtungen von Einzellern, die er nicht als sterilisiertes, totes Präparat, sondern in lebenden Kulturen beobachtete, machte Reich die Entdeckung einer bläulich strahlenden Energie: Totes Pflanzengewebe bildete winzige strahlende Bläschen, die nach einigen Tagen verklumpten und einen neuen Einzeller bildeten. Reich nannte diese Bläschen „Bione“, der Energie gab er den Namen „Orgon“.
Orgon war mit herkömmlichen Meßgeräten nicht meßbar — in den von Reich konstruierten Akkumulatoren aber war diese Energie zu sehen und zu messen. Es gelang ihm sogar, mit Hilfe von Orgon-Energie Atomkerne zu spalten, was zu einer radioaktiven Verseuchung seines Instituts in Maine führte — doch Albert Einstein soll die Einladung zu einer Demonstration mit dem Argument abgeschlagen haben: „Wenn Sie recht haben, wäre ja die ganze Physik zum Teufel.“
Auch die US-Behörden betrachteten das Treiben des manischen Forschers mit Skepsis — Mitte der fünfziger Jahre wurde Reich ein Prozeß gemacht, wegen Mißachtung des Gerichts kam er ins Gefängnis, wo er 1957 starb. Sein Institut wurde von Regierungsbeamten zerstört, die Publikation seiner Bücher über die Orgon-Experimente verboten. Erst seit dem letzten Jahr sind diese Spätschriften Reichs (bei Zweitausendeins) wieder zugänglich, ebenfalls erschienen ist eine Dokumentation des dubiosen Gerichtsverfahrens („USA gegen Wilhelm Reich“), das das Werk und Leben dieses Pioniers zunichte machte.
Reich war sich nicht nur sicher, die materiellen Grundlagen der kosmischen Lebensenergie entdeckt zu haben, er trieb auch deren praktische Nutzung voran — bei der Heilung von Krebs und in der Wetterbeeinflussung. Daß jemand mit einer an ein Flakgeschütz erinnernden Konstruktion aus einfachen Metallrohren, die in Wasser „geerdet“ werden, Wolken beeinflußt und Regen macht, erinnert eher an einen billigen Science-fiction-Film, doch Reichs „Cloudbuster“ funktionierte eben so. In dem jetzt erschienen Band „OROP Wüste“ sind über 100 solcher Wetterbeeinflussungen aus den Jahren 1952–1954 protokolliert. Daß er die lebensfeindliche, negative Orgon-Energie, das „deadly Orgon“ (DOR), auf die Anwesenheit außerirdischer Raumschiffe zurückführte, mag der damals in USA wie wild kursierende Berichten über Ufos geschuldet sein — sie setzte den ohnehin schon provokanten Forschungen Reichs die Krone auf.
Sein möglicher Irrtum über die Ursache von DOR ändert freilich nichts an den dokumentierten Fakten über die grundsätzliche Existenz und Meßbarkeit der Orgonenergie. Anders als die kaum nutzbare „Antimaterie“, die derzeit den Wissenschaftsbetrieb in Aufregung versetzt, stellen Reichs Entdeckungen bis heute einen höchst brisanten Sprengstoff dar. Es ist an der Zeit, den Regenmacher endlich ernst zu nehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen