: Seid froh, daß wir euch überhaupt was lehren!
■ UKE-MedizinprofessorInnen auf dem Prüfstand: eine Kontrolle, zwei Ergebnisse
Die Hamburger MedizinstudentInnen haben die Nase voll: Seit Jahren beklagen sie den fehlenden Fleiß ihrer ProfessorInnen und DozentInnen. Und seit Jahren geloben der Fachbereichssprecher Heinz-Peter Leichtweiß und der Wissenschaftssenator Leonhard Hajen Besserung. Durch Evaluation sollten die rund 160 Lehrenden kontrolliert werden – bundesweit ein einmaliges Verfahren an medizinischen Fakultäten.
Als gestern wieder einmal ein Ergebnis vorgestellt wurde, bescheinigten Leichtweiß und Uni-Präsident Jürgen Lüthje den Lehrenden eine verbesserte Arbeitsmoral. Sie sprachen von 80 Prozent Lehrerfüllung. In der Regel müssen ProfessorInnen vier Semester-Wochen-Stunden halten.
Die Studierenden dagegen nannten die Bilanz eine Mogelpackung und führten 71,6 Prozent ins Feld. Und auch diese Zahl sei noch zu hochgegriffen, denn nur ein Drittel der Angaben sei nachprüfbar gewesen. Und: „Die ProfessorInnen haben gelogen. Rund 40 Prozent ihrer Angaben waren falsch“, unterstellte die Medizin-Fachschaftsrätin Ute Watermann. Die Lehrenden hätten Phantomveranstaltungen angegeben oder Unterricht, den eigentlich ihre AssistentInnen gehalten hätten, als den ihren ausgegeben. Ihre Beispiele: In der Augenklinik behaupteten DozentInnen, 118 Unterrichtsstunden für eine einzige Studentin im Praktischen Jahr (PJ) geleistet zu haben. Diesen Luxusunterricht konnte diese aber nicht bestätigen. Stattdessen sei selbst die eine Stunde PJ-Unterricht pro Woche des öfteren ausgefallen. Auch DozentInnen im Fachbereich Orthopädie hätten im Nachhinein eingestehen müssen, daß sie sich 30 Stunden PJ-Unterricht zu viel bescheinigt hatten.
Nach den Überprüfungen durch die Studierenden haben nur 26 Prozent ihre Lehrverpflichtungen eingehalten. Die Studienordnung sei nicht erfüllt worden und nur 60 Prozent der Stunden, die den rund 3600 Studierenden zustünden, seien auch erteilt worden, wie die Fachschaftsrätin Hannah Kaduszkiewicz erklärte. Sie kündigte eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Uni-Präsident Lüthje und Wissenschaftssenator Hajen wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht an.
Auch der gesundheitspolitische Sprecher der GAL-Fraktion, Peter Zamory, spricht von bewußter Täuschung durch die Lehrenden: „Dies ist kein Kavaliersdelikt und läßt sich auch nicht unter der Rubrik zerstreute Professoren abtun. Hier handelt es sich um disziplinarrechtlich, wenn nicht gar strafrechtlich relevante Vorgänge.“ Deshalb will die GAL die Dienstaufsichtsbeschwerde der Studierenden unterstützen.
Für die Medizin-StudentInnen ist der „Lehrbetrug“ nur ein Aspekt der Mißstände am UKE. Empört sind sie vor allem über die Selbstherrlichkeit vieler ProfessorInnen, die sich auch in einer Äußerung des Chirurgen Christoph Broelsch während der jüngsten Fachbereichsratssitzung widergespiegelt hatte: Die StudentInnen sollten doch froh sein, daß die ProfessorInnen ihr Wissen überhaupt an sie weitergeben.
Patricia Faller
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