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„Ein Anruf hätte genügt!“

■ Rolf Rempe, Verwaltungsdirektor des Bremer Theaters, gibt auf / Von der Politik enttäuscht / Ist Intendant Pierwoß der Nächste?

So emotional kann es im Theater zugehen: Männer in dunklen Anzügen wischen heimlich die Tränen aus den Augenwinkeln; andere sprechen mit umflorter Stimme; und den Chor bilden die Handwerker, die ihrem obersten Herrm die letzte Ehre erweisen wollen.

Die Inszenierung fand nicht auf der Bühne des Theaters statt, sondern gestern am hellen Vormittag als Pressekonferenz im Foyer des Bremer Theaters. Der Anlaß: Der Verwaltungsdirektor des Bremer Theaters, Rolf Rempe kündigt seinen Vertrag.

In den letzten Wochen hatte man aus dem Bremen Theater nur noch von Zahlen, Kürzungsvorschlägen und anderen Taschenrechner-Operationen gehört. Doch Rolf Rempe, der vor viereinhalb Jahren von der Landesbank zum Bremer Theater gekommen war, machte jetzt aus seinem Herzen keine Mördergrube mehr. Sichtlich bewegt erklärte er, es ginge ihm „erst in zweiter Linie um den Umfang der Theaterfinanzierung, in erster Linie aber um die engagierte Partnerschaft gegegüber dem eigenen, städtischen Theater.“ Daß er dieses Engagement bei den städtischen Politikern vermißt, habe ihn zu seinem Entschluß gebracht.

Kultursenatorin Bringfriede Kahrs (SPD), bei der Rempe die Kündigung einreichen mußte, trug weiter die schmutzabweisende Rüstung der Rechtfertigung: „Alle haben einen Anpruch auf Unterstützung, jede Mark ist wichtig,“ brachte sie als Erklärung für ihren mangelnden Einsatz für das Staatstheater hervor. Sie könne schließlich nicht zulassen, daß die 2,5 Millionen für die Tariferhöhung, die dem Theater durch die Etatkürzungen entgehen, „woanders rausgestrichen werden“. Warum Rempe jetzt gehe, verstehe sie allerdings überhaupt nicht.

Mittlerweile half das Publikum der ehemaligen Deutschlehrerin auf die Sprünge. „Warum hat es bis heute gebraucht, daß Sie sich einmal vor das Theater stellen?“ begehrte fast aufgelöst die Schauspielerin Irene Kleinschmidt zu wissen. Daß die Kultursenatorin auch Vorstandsvorsitzende der Bremer Theater GmbH ist und daß das Theater den Titel des Staatstheaters trägt, schien Frau Kahrs völlig vergessen zu haben. Die Galeristin Katrin Rabus fragte bohrend: „Sehen Sie denn eine Verbindung zwischen Ihrer Art der Amtsführung und der Entscheidung von Herrn Rempe?“ Zähneknirschend mußte die Kultursenatorin einräumen: „Heute würde ich wohl manches anders machen.“

Intendant Klaus Pierwoß, der vorwegschickte, er könne seine Gefühle noch gar nicht in Worte fassen, berichtete von den letzten Monaten. Oft hätte er bis spät nachts mit Rempe gesessen und beratschlagt, wie man denn nun das gefährdete Theater retten könne. „Wir haben uns gegenseitig gebraucht und aneinander aufgerichtet.“ Diese durchaus emotionale Partnerschaft habe auch in den vielen schweren Stunden der Vergangenheit die Kraft gegeben, für die Einhaltung des zwischen Pierwoß und der Stadt geschlossenen Vertrages zu streiten, den Geist des Vertrages hochzuhalten.

Welch symbolischen Wert die Kündigung des Verwaltungdirektors hat, strich die ehemalige Kultursenator Helge Trüpel (Bündnis 90/Die Grünen) heraus. Sie warf - ebenfalls auffällig theatralisch - ihrer Amtsnachfolgerin vor: “Sie haben den Geist des Vertrages zerstört! Gerade wenn es eine Leiche ,Vulkan' gibt in der Stadt, dann müssen wir doch erhalten, was an Kultur noch da ist.“

Der Vergleich zur großen Politik veranlaßte Rempe, dem bewegten Publikum die Gründe für seine Entscheidung, an der er lange getragen habe, an einem Beispiel zu erläutern: „Da werden zu einer Straßenbahnlinie, dem Hemelinger Tunnel und einem Musical politische Ehrenerklärungen abgegeben, aber bei dem Theater, da ist das offensichtlich nicht nötig. Daraus kann ich schon eine Haltung ablesen.“

Das Beispiel ist nicht zufällig gewählt, und die Gefühle des Verwaltungsdirektors entspringen nicht einem angestaubten Ehrbegriff. Die Existenzkrise des Bremer Theaters ist ganz real. Und man kämpft mit allen Mitteln - aber von der Politik gibt es kaum Unterstützung.

Seine letzte diesbezügliche Erfahrung teilte Klaus Pierwoß dann auch noch mit. Er war am Vortag bei Henning Scherf gewesen, wegen dessen Bemerkung: „Jetzt geht der Intendant schon auf den Marktplatz, um noch mehr Geld zu fordern - der soll erst mal sein Haus voll kriegen!“ Pierwoß: „Wenn solche Unwahrheiten am Stammtisch gesagt werden, nun gut - aber der Erste Bürgermeister sollte so nicht sprechen!“ Scherf habe sich im Gespräch zwar persönlich entschuldigt, mehr aber nicht. Und dabei habe auch der Bürgermeister gewußt, daß Rempe kurz vor der Kündigung stand. „Da hätte ein Anruf oder ein anderes Zeichen vielleicht noch etwas retten können.“ Der Generalintendant, nach seiner eigenen Zukunft befragt: „Ich weiche einer Entscheidung heute noch aus.“

Susanne Raubold

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