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Der Fall nach dem Fall

■ Was machen eigentlich Senatoren, wenn sie keine mehr sind? Die einen schreiben ein Buch, die anderen gehen auf Jobsuche. Viele müssen sich von den Machtkämpfen erholen

Am Tag, an dem der alte Senat zu seiner letzten Sitzung zusammenkam, blieb ein Stuhl leer. Ulrich Roloff-Momin hatte sich seinen letzten Auftritt im Haifischbecken erspart. Die Heuchelei, erklärte er gegenüber Freunden, habe nun ein Ende. Wie kaum ein anderer hat Roloff-Momin erfahren müssen, was es heißt, „kalt abserviert“ zu werden.

Fünf Jahre zuvor hatte die SPD den Parteilosen als Kultursenator ins Amt gehievt. Als feststand, daß der Mann mit dem Dreitagebart gehen mußte, verhielt sich die SPD-Spitze, als hätte es einen Roloff-Momin nie gegeben. Nur der Ex-Regierende Walter Momper und Ex-Bausenator Wolfgang Nagel kamen zur Abschiedsfeier, die Spitzengenossen hielten sich fern. In einem bitterbösen Brief an SPD-Fraktionschef Klaus Böger, der ihm kein Wort der Anerkennung ausgesprochen hatte, ließ Roloff-Momin seiner aufgestauten Wut freien Lauf. Er danke Böger „für ein stets menschlich offenes, durch selbstlose Fairneß und tiefe Solidarität geprägtes Verhalten“.

Barbara Riedmüller, die unter Rot-Grün Wissenschaftssenatorin war, kann die Enttäuschung nur allzu gut verstehen. Als die SPD- Politikerin im Januar 1991 aus dem Amt schied und ihr Ressort an Manfred Erhardt von der CDU abgeben mußte, habe man sie immerhin noch „schonend auf den Wechsel vorbereitet“. Im Fall von Roloff-Momin aber sei ihre Partei noch nicht einmal in der Lage gewesen, die „grundlegendsten Regeln des Anstands“ einzuhalten.

Für viele ehemalige Senatoren bedeutet das Ende ihrer Amtsperiode das Ende von kräftezehrenden Monaten der Anspannung, der Intrigen und Machtkämpfe. Roloff-Momin fuhr zu Bekannten nach Amsterdam, Ex-Bausenator Nagel erholt sich in Schweden, der ehemalige Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) besucht seine Mutter in Hessen. Riedmüller, die nach ihrer zweijährigen Amtszeit wieder ihre Politikprofessur an der FU aufnahm, fand in Österreich ihr Gleichgewicht wieder: „Ich bin mit meinen Langlaufskiern wie eine Irre durch ein Tal gelaufen.“ Ihr Kollege Erich Pätzold, vor fünf Jahren Innensenator, widmete sich noch am Tag seiner Verabschiedung seinem Segelboot. „Ich habe eine Gabel für die Mastvorrichtung abgeholt und dann den ganzen Tag an meinem Boot gearbeitet.“ Pätzolds Abschied war nur ein Abschied aus dem Amt. Der Politik blieb er, wie im übrigen auch Riedmüller, verbunden.

Nicht allen fällt der abrupte Abgang leicht. Walter Momper, der einstige SPD-Regierende, ging in die Privatwirtschaft, etablierte sich erst nach längerer Zeit und einigen Nackenschlägen mit seiner Pro- Entwicklungs-GmbH. Die Rückkehr in die große Politik aber verbaute ihm die eigene Partei: Als er sich im Frühjahr 1995 als SPD- Spitzenkandidat bewarb, ließ ihn die Partei-Basis in einer Urwahl durchfallen.

Das Leben nach der Politik, so glaubt Riedmüller, sei vor allem der Versuch, sich wieder an den alten Lebensrhythmus anzupassen. „Für mich war das ein Gewinn“, erzählt sie. Es sei ihr stets unangenehm gewesen, morgens um halb acht vom wartenden Chauffeur mit dem Dienstwagen „unter den Augen der Nachbarn“ abgeholt zu werden. Nach einem anstrengenden Tag voller Sitzungen waren auch der Abend und die Wochenenden meistens der Politik vorbehalten. Wenig Zeit blieb für Privates, für Freunde, Kinobesuche oder so alltägliche Dinge wie ein Einkauf in einem Supermarkt. All das habe sie danach zurückgewonnen, tröstet die heute Fünfzigjährige ihre Kollegen, die sich nun auf ein „Leben danach“ einrichten müssen.

Nicht jeder hat soviel Glück wie Hassemer, der ab März die Geschäftsführung der Marketingagentur „Partner für Berlin“ übernimmt. Nagel selbst antwortete in den letzten Wochen stereotyp auf die Frage nach einem neuen Job, er habe da „einen unterschriftsreifen Vertrag“ in der Tasche. Norbert Meisner, Ex-Wirtschaftssenator, hält sich ebenso bedeckt, soll aber vor Weihnachten wiederholt von Unternehmen angesprochen worden sein. Roloff-Momin will zunächst ein Buch über seine letzten fünf Jahre schreiben. Eine Abrechnung, so heißt es inoffiziell, werde es aber nicht. Mehr habe er an eine kulturpolitische Betrachtung gedacht. Man darf gespannt sein. Severin Weiland

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