piwik no script img

■ Bosnisch-serbische Polizei wird in Sarajevo weiter geduldetFalsches Zugeständnis

Die Entscheidung, den weiteren Verbleib bosnisch- serbischer Polizei in Teilen Sarajevos zu dulden, die nach dem Vertrag von Dayton am Samstag hätten geräumt werden müssen, ist ein falsches Signal. Sie untergräbt den Respekt für die 60.000 Soldaten der Nato-Streitkräfte und nimmt den bosnischen Muslimen das Vertrauen in den Willen der internationalen Gemeinschaft, die Vereinbarungen von Dayton durchzusetzen. Statt den erklärten Auftrag der Ifor zu erfüllen, die Bestimmungen von Dayton notfalls mit Gewalt durchzusetzen, haben UN-Koordinator Carl Bildt und Ifor-Kommandeur Leighton Smith den Friedensprozeß in Bosnien gefährdet. Ihre Entscheidung ist ein Zugeständnis an die bosnischen Serben.

Dem Beschluß vom Samstag gingen drei Wochen intensiver Verhandlungen zwischen Carl Bildt, Vertretern der Muslimisch-Kroatischen Föderation und der bosnischen Serben voran, in denen Bildt versuchte, einen Kompromiß zu erreichen: Die umstrittenen Gebiete sollten von einer gemeinsamen muslimisch-kroatisch-serbischen Polizei unter Aufsicht der UN-Polizei patrouilliert werden. Die bosnische Regierung hatte dem Plan zugestimmt unter der Bedingung, daß die serbischen Polizisten keine Kriegsverbrechen begangen haben dürfen. Die bosnischen Serben hatten diesen Kompromiß abgelehnt. Mit der jetzigen Entscheidung wird kein Mittelweg gegangen, sondern die serbische Position übernommen. Begründet hat Carl Bildt die weitere Präsenz serbischer Truppen damit, daß eine Massenflucht der serbischen Zivilbevölkerung verhindert werden solle.

Die Übergabe der serbisch kontrollierten Gebiete zu verschieben ist jedoch keine Lösung des Problems. Schlimmer noch: Sie annulliert die geplante Übergangsphase, in der die serbische Zivilbevölkerung sich an die Präsenz muslimisch-kroatischer Polizisten hätte gewöhnen können. Bei dem zu erwartenden nahtlosen Übergang der Polizeigewalt am 20. März ist eine Massenflucht von Serben wahrscheinlicher, als sie es je in den letzten Wochen war.

Am schwerwiegendsten für den Friedensprozeß in Bosnien ist jedoch, daß Ifor vor der Durchsetzung des Vertrages von Dayton zurückgeschreckt ist. Statt die serbische Polizei notfalls gewaltsam zum Rückzug zu bewegen, haben die 60.000 Nato-Soldaten klein beigegeben. Dies ist um so schlimmer, als in den serbisch kontrollierten Teilen Sarajevos in der letzten Woche vier Ifor-Soldaten von Heckenschützen gezielt beschossen und verwundet wurden. Pierre Van Hoeylandt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen