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Autodestruktive Tendenzen am Kratzbaum? Von Andrea Böhm

Es gab Zeiten, da machten sich Politiker und First Ladies in den USA ernsthaft Gedanken um den katastrophalen Zustand des amerikanischen Gesundheitssystems. Krankenversicherung für alle, hieß vor drei Jahren die geradezu revolutionäre Parole der Clintons. Bekanntermaßen scheiterte das hehre Projekt aus mehreren Gründen, die zu erläutern an dieser Stelle zu weit führen würde.

Übriggeblieben ist lediglich eine missionarisch geführte Kampagne gegen das Rauchen – und, wie das Wall Street Journal letzte Woche berichtete, ein wachsendes Bewußtsein unter den US-Bürgern, wenn schon nicht ihre Mitmenschen, dann wenigstens ihre Haustiere zu versichern. „Pet Insurance“ heißt das neue Zauberwort, welches auf dem Versicherungsmarkt die Kassen klingeln läßt.

Daß AmerikanerInnen ihren Haustieren besondere Fürsorge angedeihen lassen, fiel mir schon bei einem meiner ersten Besuche in den USA Anfang der achtziger Jahre auf, als ich erfuhr, daß in New York nicht nur Woody Allen zum Psychotherapeuten geht, sondern auch die Katze meiner Bekannten. Ich erinnere nicht mehr, welche besorgniserregenden Symptome des Tieres seine Besitzer zu diesem Schritt bewogen hatten. Niedergeschlagenheit? Autodestruktive Tendenzen am Kratzbaum? Bellen? Jedenfalls wurde das arme Vieh einmal pro Woche auf die Couch gelegt. Billig war's bestimmt nicht, und von „Pet Insurances“ hatte man damals noch nicht gehört.

Heute hingegen können Haustierbesitzer ihre Tiere für fast alle Fälle versichern. Braucht der Dackel einen Herzschrittmacher, die Siamkatze ein künstliches Hüftgelenk, der Dobermann eine Nierentransplantation? „VPI Insurance Group of Anaheim“ in Kalifornien bietet die animalische Krankenversicherung für rund 100 Dollar im Jahr (DeLuxe-Angebote kosten mehr). VPI übernimmt zwar nicht die ganzen 2.500 Dollar, die für den Herzschrittmacher anfallen. Aber die Tierversicherung reduziert die Rechnung in der Regel auf die Hälfte. Das rentierte sich zum Beispiel für die Besitzerin eines Yorkshire Terriers in Portland, Oregon. Dem mußte der Tierarzt den Magen auspumpen. Der Köter hatte den Magentablettenvorrat seines Frauchens aufgefressen.

„Pet Insurances“ sind keine originär amerikanische Idee. Während in den USA der Markt gerade erst erobert wird, überlegen britische Versicherungsfirmen bereits, ihren Kundenkreis auf Vögel auszudehnen. Im Lande der Queen und des Spleens sind 700.000 Hunde und Katzen, also fünf Prozent der britischen Haustierbevölkerung, krankenversichert, was sich deren BesitzerInnen jährlich 89 Millionen Dollar kosten lassen. An der Spitze steht mit 17 Prozent, wie sollte es anders sein, Schweden, der Vorreiter des Hunde-und- Katzen-Sozialstaates.

Diese Entwicklung verlängert nicht nur die Lebensdauer der Vierbeiner und die Lebensfreude ihrer BesitzerInnen. Sie vervielfacht auch das Einkommen der Veterinärmediziner, die heute Chemotherapie verordnen, statt dem alters- und krankheitsgeschwächten Tier die letzte Spritze zu geben. Veterinärmedizin ist die Branche der Zukunft. Nur die Veterinärpsychologen haben es wieder einmal schwer. Bislang übernimmt die Kasse keine Katzen- und Hundetherapie.

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