: Vulkan: „Perspektive nach einem Konkurs“
■ Interview mit Werner Lenz, in den 80er Jahren als Wirtschaftssenator einer der Architekten des Bremer Vulkan-Verbundes , über die Perspektiven nach einem Konkurs, über Hennemann und und die Hintergründe der Krise
taz: Das wäre ja jetzt recht billig, beim Vuilkan einzusteigen. Wieviel müßte man aufwenden...
Werner Lenz: Bei 27 Mark steht die Aktie.
Wieviel müßte das Land Bremen kaufen, um Einfluß nehmen zu können?
Man muß keine Mehrheit haben, man muß nur eine Sperrminorität haben. Das hätte aber schon einiges gekostet. Aber ich glaube nicht, daß das jetzt noch ein gangbarer Weg wäre. Es deutet ja alles darauf hin, daß das Unternehmen in der Form, in der es jetzt geführt wird, nicht überlebt. Selbst wenn jetzt die Bauzeitfinanzierungs-Kredite gegeben werden, ist ja nicht sichergestellt, daß der Verbund überlebt. Es sieht ja so aus, als würde es in der Tat weiter bergab gehen.
Insbesondere die bremischen Schiffbau-Standorte sind ja...
... hochgradig gefährdet. Der Verbund, der aus mehreren Säulen besteht, wird, wenn er in Konkurs geht, insgesamt in Konkurs gehen müssen. Aber die Chance für die Bremer Werftindustrie, und wenn ich Bremer sage, meine ich immer die Bremerhavener auch, ist, daß nach einem solchen Konkurs mit einer Auffanglösung unter einer Beteiligung von STN Atlas und den hiesigen Werften ein Neuanfang gewagt werden kann. Es nützt gar nichts, so weiter zu machen wie bisher. Wir werden viel Geld in die Hand nehmen müssen. STN Atlas macht ja Gewinne. Weltweit ist das gefragt, was die machen. Gar nicht nur im Bereich der militärischen Produkte, insgesamt. Man kann dieses hochinteressante Unternehmen fortführen und andere Eigner mit hineinnehmen. Schiffbau hat auch Zukunft, aber ich meine vor allem STN Atlas, weil die in einem Bereich tätig sind, in dem man auf lange Zeit mit nicht unbeträchtlichen Gewinnen rechnen kann. Wenn man einen Interessenten findet, und die Werften als zweiten Bereich so modernisiert, daß sie ihre Produktivität um mindestens 30 Prozent steigern, so daß sie auf dem Weltmarkt bestehen können, dann könnte es eine Kombination geben, in der nicht nur geguckt wird, macht der eine Gewinne, die man abziehen könnte, um die Verluste bei dem anderen auszugleichen. Langfristig könnte man eine Situation bekommen, in der beide Säulen auf dem Weltmarkt wieder eine Rolle spielen können.
Das bedeutet: Sie persönlich würden, wenn es jetzt zu einem Konkurs käme, das gar nicht als das große Unglück sehen, sondern auch als eine Chance...
Ein Unglück ist ein Konkurs immer. Ohne daß man Federn läßt, geht das nie ab. Aber es gibt eine Perspektive. Es ist nicht so, daß es keine Perspektive gibt nach einem Konkurs. Es könnte eine Perspektive geben, die sich sogar langfristig für die Werften günstiger darstellt als es derzeit der Fall ist.
In Ihrer Zeit als Wirtschaftssenator ist der Bremer Werftenverbund noch ohne Krupp Atlas Elektronik geschaffen worden. Haben Sie damals an einen Weltkonzern gedacht?
Nein, überhaupt nicht. Da liegt meiner Ansicht nach der Fehler. Man hätte sich konzentrieren sollen auf die eigentliche Überlegung. Damals lebten wir in der Phase der Hochrüstung, wir hatten Verträge mit Krupp. Krupp sollte die Seebeck-Werft überführen in den Verbund mit einer entsprechenden Mitgift, und im Gegenzug sollte Krupp 3.000 Arbeitsplätze halten bei Krupp Atlas Elektronik in Bremen, die wir entsprechend unserer Fördermöglichkeiten unterstützen wollten.
Das hat durch die Weltereignisse 1989ff nicht geklappt, gleichwohl hat das Unternehmen die Kurve gekriegt inzwischen. Damals war ja eine ähnliche Situation wie jetzt: Um die Jahreswende 1983/4 war die AG- „Weser“ kaputt gegangen und alle Werften standen vor der Pleite, eine schwere Krise. Hapag Lloyd zog sich zurück aus der Lloyd-Werft, Thyssen zog sich zurück aus der AG-“Weser“, die SUAG-Werft, heute Seebeck, gehörte damals schon dem Staat. Wir hatten die Aktien der Unternehmen in der Hand, aber wir wußte nicht, wie es weitergehen sollte. Dann kam die Überlegung mit dem Werften-Verbund, was zumindest dazu geführt hat, daß wir über 10 Jahre die Werften haben halten können.
Damals war Friedrich Hennemann im Wirtschaftsressort Ihr Staatsrat...
„Senatsdirektor“ hießen die damals.
... haben Sie ihn in den Werften-Verbund geschickt?
Ja, das war sein Wunsch natürlich auch. Wir haben das als eine vernünftige Lösung angesehen, weil er auch gute Verbindungen hatte insbesondere zum Bundesverteidigungsministerium. Das spielte damals eine große Rolle. Nur durch den Fregattenbau konnten wir diese fürchterliche Situation überbrücken, weil nur da Cash kam. Da haben wir das Eigenkapital des Vulkan erst geschaffen, das hat viele hundert Millionen gekostet. Zunächst haben wir den Verbund gemacht zwischen Vulkan, Lloyd und Schichau. Hinterher, nachdem Krupp das abgegeben hat, trat Seebeck noch hinzu. Das war der Beginn eines Verbundes, der, wenn man eine vernünftige Investitionspolitik gemacht hätte, eine Rolle gespielt hätte auf dem Weltmarkt, auch heute noch.
Haben Sie mit Hennemann einmal eine Auseinandersetzung gehabt über die neue Strategie, nicht alles zu investieren, sondern sich satt zu kaufen ...
Auseinandersetzung eigentlich nicht mehr. Ich bin ja 1987 ausgeschieden. Ich habe später schon mal gesagt, ob das so gut ist, das alles zu kaufen. Ich will jetzt aber nicht sagen, daß ich das alles vorhergesehen habe. Aber meine besondere Sorge lag da, daß man in einen Bereich ging, der ohnehin sich krisenanfällig zeigte, den Maschinenbau. Daß dann da Jahr 1989 kam... ... das Ende der fetten Rüstungsaufträge..
... das konnte keiner voraussehen. Und daß dann Mecklenburg-Vorpommern kam. Hennemann mußte das übernehmen, er konnte ja nicht zulassen, daß die anderen das kaufen, zumal Bonn es finanzierte. Aber ob das langfristig gut war, nachdem die Situation sich so abzeichnet, ob es langfristig gut ist, dieses Riesengebilde aufrechtzuerhalten, das wage ich zu bezweifeln.
In einem Spiegel von 1993 steht: Erstens steht alles nebeneinander, eine wirklich Integration der zusammengekauften Unternehmen hat nicht stattgefunden. Sehen Sie das auch so?
Ja.
Haben Sie dafür ein Beispiel, wo das problematisch wird?
Es sind ja Bereiche, die kaum zu verzahnen sind und die ein ziemliches Eigenleben führen. Dienstleistungsbereich, Reederei, Maschinenbau. Er hat dabei auch Unternehmen, bei denen man annehmen mußte, daß sie keine Zukunft haben, aufgekauft ...
Weil sie billig zu haben waren.
Wahrscheinlich. Nicht alles, was man billig kriegen kann, muß auch gut sein. Wilhelm Scheider, der frühere Vorstandsvorsitzende von Krupp, war lange Jahre Aufsichtsratsvorsitzender des Vulkan. Eines Tages hat er seine Sachen genommen und ist gegangen. Und zwar zu dem Zeitpunkt, als das losging mit dem Ankauf von Maschinenbaubetrieben. Ich wußte, daß Scheider zu denen gehörte, die vor Jahren gesagt haben: Vom Maschinenbau muß man die Finger lassen. Der hatte das richtig erkannt. Vielleicht hat er sich nicht durchsetzen können.
Was hat sich denn Hennemann dabei gedacht? Warum hat er nicht sein Augenmerk auf das bremische Problem gerichtet?
Zunächst hat er das ja gemacht. Ich nehme an, er hat nach einem Weg gesucht, wie man die von ihm selbst auf lange Zeit prognostizierten Verluste bei den Werften wettmachen kann. Und hat mit Krupp Atlas Elektronik einen richtigen Griff getan. Und was dann kam, war eben nicht mehr gut.
Ganz bösartig wird gesagt: Dieser studierte Apotheker, der Hut war ein wenig zu groß für ihn...
Das ist das Gemeine, daß man sagt: Apotheker. Er hat das nur studiert, weil er in die chemische Industrie wollte, dafür mußte er das. Aber er hat dann Volkswirtschaft studiert und da promoviert.
War der Hut für ihn zu groß?
Das kann man so nicht sagen. Ich glaube, die Zeit hat ihn überrollt. Das fing ja an, als die Werften in Mecklenburg-Vorpommern dazukamen. Da hat er die Übersicht verloren, das kann ja auch leicht passieren.
Da hat er doch ganz viel Subventionsgeld wieder bekommen.
Gut, aber wer weiß, wohin das gegangen ist. Da wurde da ein Loch gestopft und da ein Loch gestopft.
Hennemann hat zuletzt seinen Finanzvorstand gefeuert und den alten Schiffbauer zum Finanz-Spezialisten erhoben.
Es gab eine Zeit, da konnte man das nicht mehr nachvollziehen. Auch daß er Gollenbeck hat gehen lassen, der Chef bei Seebeck, das war ein guter Mann. Der ist heute Chef der HDW.
Das ist vielleicht dann auch die Eitelkeit der Männer.
Der hat schon damals immer gesagt: Ob das gut geht. Er hatte Bedenken, daß da so ein Konglomerat zusammengekauft wurde.
Hennemann hat derweil offensichtlich die notwendige Modernisierung der bremischen Werften schleifen lassen.
Das ist das bedauerliche. Die Verbund-Idee war ja, daß wir für die die Werften in Bremerhaven und Bremen ihre Zukunfts-Größe feststellen müssen. Und daß man dann versuchen wollte, die Größenordnung, die man anpeilte, so modern zu machen durch Investition, daß sie auf dem Markt richtig eine Chance haben würden. Dieser zweite Schritt hat niemals stattgefunden. Die große notwendige Investition hat es nicht gegeben, die gab es dann in Mecklenburg-Vorpommern. Wir werden 800 Millionen bis eine Milliarde in die Hand nehmen müssen, um unsere Werften...
Also nicht nur 250 Millionen wie in Hennemanns Unterweser-Konzept?
Das wäre doch ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen. Insbesondere, wenn es noch aufgeteilt wird auf drei Standorte. Wir haben ja derzeit Aufträge genug, aber die sind nicht kostendeckend. Das sehen wir ja bei den beiden Costa-Schiffen. Jetzt kommen die Schiffe für Tunesien. Die kosten wieder Geld. Wir kaufen Arbeit, so ist das. Das kann man sogar gutheißen, aber nur, wenn man das lange genug durchhalten kann. Die Frage für Bremerhaven müßte doch sein: Ist es nicht sinnvoller, sich nach einem anderen Standort als dem hinter der Schleuse umzusehen.
Dann könnte man das Geld für die Erneuerung der Fischereihafenschleuse einsparen.
Die Schleuse muß modernisiert werden, die ist 100 Jahre alt, aber vielleicht nicht so groß. Vielleicht kostet das nicht 200 Millionen, sondern nur hundert. Diese Überlegung wäre sinnvoll.
Sind die Bremerhavener Werften überhaupt zu retten? Eine Milliarde, woher soll die kommen?
Ich sage Ihnen einmal, wie ich mir das vorstelle: Bremen muß in das Unternehmen wieder rein. Weil Bremen als Land die nötigen Kredite verbürgen kann. Wenn man die Werften weitermachen will, muß das Land rein. Wenn Bremen die Kredite verbürgen würde, ohne im Unternehmen zu sein, würde das gegen EU-Bestimmungen verstoßen. Ist Bremen Mitgesellschafter, dann gelten diese EU-Bestimmungen nicht mehr. Wenn man dies macht, muß man überlegen: Wie groß soll das Gebilde sein? Können wir uns den Reparaturbereich noch leisten? Müssen wir darauf bestehen, daß Lloyd in der Weise, wie der Betrieb heute läuft, weiterverfolgt wird? HDW hat den Reparaturbereich ganz aufgegeben, weil sie keine Chance darin sehen. Je schneller man sich von einem Zweig, der keine Zukunftsperspektive hat, löst, um so besser ist es. Unsere Zukunft liegt im High-Tech-Bereich. Man könnte in kürzester Zeit dann die Modernisierungsinvestitionen durchführen.
Es gibt Leute, die sagen: Rein vom Unternehmen her gedacht muß man sich entscheiden, zwei Neubauwerften sind eine zuviel für das kleine Bremen, der Standort Vegesack oder der Standort Bremerhaven muß mittelfristig aufgegeben werden.
Das ist eine politische Entscheidung: Wo würde der Konkurs am schwersten durchschlagen, und das ist eindeutig Bremerhaven.
Das Beste wäre also eine ganz neue Werft an einem neuen Standort in Bremerhaven.
Es gab mal eine Idee, die Werften auf dem Gelände der Lloyd-Werft zu konzentrieren. Da sind die riesigen Docks, die Schleusen sind groß genug. Das wäre eine Alternative. Das hätte für Bremerhaven nur steuerlich den Nachteil, daß das wieder auf stadtbremischem Gelände wäre. Aber darüber wollen wir jetzt nicht reden.
Was wird aus dem Vulkan in Bremen-Nord? Kann sie bleiben?
Es gibt durchaus eine Kombination, die das zuläßt.
Woher kommt das Geld für die Investition? Die Summe für den Hemelinger Tunnel ist ähnlich hoch. Man könnte die Frage stellen: Was ist wichtiger für Bremen, die Zukunft der Werften oder dieser Tunnel?
Man könnte darüber nachdenken, ob nicht eine ganze Reihe von Maßnahmen, die im ISP stehen, zugunsten der Sicherung der Werften gestrichen werden müssen. Das kann man sagen. Aber es steht mir nicht an, mich gegen diesen Tunnel zu wenden.
Aber es ist ja absurd, wenn man die beiden Dinge vergleicht, daß für den Tunnel das Geld da sein soll und für die Werften nicht.
Ich will Ihnen etwas anderes sagen. In Bremerhaven geht es ja um den Ozean-Park noch.
Das Projekt ist doch tot.
Na, die reden immer noch davon. Und da geht es auch um 900 Millionen. Im ISP sind dafür mehrer hundert Millionen vorgesehen. Wenn der Tag kommt, Ozean-Park oder Schiffbaustandort Bremerhaven, dann werde ich mich für den Schiffbau entscheiden.
Der Spiegel hat damals geschrieben, daß der Vulkan-Verbund auch dadurch, daß er ins Reederei-Geschäft gegangen ist, einen „Kreislauf der Inzucht“ gebildet hätte, der die ganze Angelgenheit vom Kaufmännischen her undurchsichtig gemacht hat. Man weiß nie ganz genau, wer da wen subventioniert und wo rationell gearbeitet wird.
Da ist was dran.
Kann man abschätzen, wieviel Bremen in diesen Verbund gesteckt hat in den vergangenen zehn Jahren?
Das ist ganz schwer, weil es ja immer Bürgschaften waren. Bares ist ja kaum geflossen. Daß es nicht wenig Geld war, will ich gerne ...
Über eine Milliarde?
Wenn man die Bürgschaften nimmt, sicher. Da ist die Frage, ob sie fällig werden. Ein Konkurs kann deshalb eine teure Suppe werden für Bremen.
Interview: K.W.
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