Sanssouci: Vorschlag
■ „Herznebel“: Elias O. Dunu liest beim Black History Month
Es ist nicht so einfach mit dem derzeit stattfindenden Black History Month. Auch „schwarze Visionen“ beschränken sich zur Zeit auf Kraut und Rüben. Was so schlecht nicht sein muß. Es bedarf nur mehr Mutes, sich durchzusetzen. Vielleicht gelingt das jetzt, kommenden Montag zum Beispiel, in dem Film über europäische Afrika-Projektionen, „Mündliche Überlieferung westafrikanischer Völker – Gespräche mit dem Sammler“. Auch so was trägt visionäre Züge. „Herznebel“, hatte ich mich bei der Vorsitzenden von Berlins Nigerianischer Gemeinde beklagt, „Herznebel“, die Gedichte ihres Landsmannes Elias O. Dunu, das sei doch europäische Moderne. Noch klingt mir ihr Lachen im Ohr: „Afrika“, mein Lieber, „ist doch kein anderer Stern!“ Nigerias Dichtung sei Weltliteratur, „wir haben da gar keine andere Wahl“. Nigeria schreibt englisch.
Heute abend also liest Elias Dunu, Germanist in Nsukka und Hannover, aus „Inner slums – Herznebel“ (Internationalismus Verlag, Hannover 1995). Gedichte der europäischen Moderne, poésie pure? Elias O. Dunu heißt also der Autor: O. wie Onwuatudo, zu deutsch: „Der Tod macht keinen Termin.“ Im Buch fehlt dieser afrikanische Vorname und seine Geschichte. Die Gedichte umkreisen diese Leerstelle: „Wir hatten unsere Nomadenhaut abgelegt / Wir hatten unsere Sandalen aufgehängt / Der Staub, unser treuer Reisebegleiter, / War längst von unseren müden Füßen geflohen – / Sie schleicht sich am hellichten Tag ein, / Die Besucherin, die keine Fremde war.“
Als Stellvertreter für Onwuatudo aber hat sich zwischen den Zeilen das Herz eingenistet. Und im Zentrum der Sammlung steht „Herznebel“, das Titelgedicht. Das bildet, hilf Himmel!, gar noch einen Chiasmus: „Gefängnisse liegen / In unseren freigebigen Herzen verborgen / [...] / Und in unseren großen Herzen verborgen / Liegen Gefängnisse.“ Ich kann nicht glauben, daß das so geht. Das Gaukeln dieser kreisenden Gedichte, visuelle Visionen einer Wiederkehr des Gleichen, irrlichtert in der angestrengten Lektüre, zerrt in gegenstrebiger Fügung. Eben europ... „Lullaby. Brother / Turn your fidgety face off the zephir / Dip the radiance of your gaze / Into Sunset.“ Ja? Fritz v. Klinggräff
Lesung mit Elias Dunu. Heute, 20.00 Uhr, Weiße Rose, Martin- Luther-Straße 77, Schöneberg. Film: Montag, 20.00 Uhr, ebenda
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