: Kampf gegen Rohrelemente
■ Zum Abflug von Charla Drops und Eva Hass nach Spanien
„Art und Unart im Berlin der Jahrtausendwende“ werden die Diplomarbeiten der Zukunft heißen. Welch verheißungsvolle Aussicht! Auch für Charla Drops und Eva Hass – Miminnen, die der unangepaßten Kleinkunst in den letzten zwölf Jahren aus dem Off auf die Füße geholfen haben. Denn soviel ist klar: Vorkommen werden sie darin. Und erwähnt werden wird auf jeden Fall, daß Charla Drops, die spätgeborene Stiefschwester Charlie Chaplins, und Eva Hass, auch als Frau Dochnoch bekannt, 1996 weggeflogen sind. Nach Spanien, munkelt man. „Im eigenen Flieger übrigens. Den haben wir in der Lotterie gewonnen.“
Doch noch Glück gehabt also. Denn andere Subventionen gab es nicht für das kleine Theater „Unart“ in der Oranienstraße, das die beiden, früher zusammen mit dem an Aids gestorbenen Maler Jens Hass, seit 1983 zu einem Talentschuppen ungewöhnlicher Spielart von Drama und Groteske, Literatur, Musik und Kunst gemacht haben. Lokalmatadorinnen wie Georgette Dee und Cora Frost feierten hier ihre ersten Erfolge.
Ihre eigenen Theaterabende fingen nicht selten da an, wo andere aufhören, nämlich unter der Erde. „Rühr meine Urne um“ hieß eines der Programme, in dem dem unvermeidlichen Tod etwas Kreativität und Ästhetik abgerungen werden sollte; „Halsüberkopf“ ein anderes, in dem ein Mensch verzweifelt gegen das Innenleben der Kanalisation kämpft.
Letzteres hat Charla Drops vor ihrem Abflug nochmal im Unart gespielt, weil da so wunderbare Sätze drin vorkommen wie: „Daß man dort Verbindung schaffen muß, wo alles ins Leere führt.“ Auch der Blackout, den die gegen die Rohrelemente Kämpfende erlebt, wird passend zur bevorstehenden Abreise kommentiert: „Wie konnte das geschehen? Wie konnte sie sich soweit von uns entfernen?“ Geschehen konnte es, weil die Kulturpolitiker seit der Wende den Blick für die künstlerische Halbedelsteinlandschaft Berlins zugunsten der überdimensionierten Plastikwelt verloren haben. „Größer, feister, seichter, dreister“ ist die Devise. Halbedelstein muß man suchen und schleifen. Plastikware wird farbig im Lastwagen angeliefert.
Für die künstlerische Weiterentwicklung von Charla Drops und Eva Hass ist der Abschied vom Unart eine Notwendigkeit. Immer nur aufzutreten, um die paar Mark Einnahmen dann in die immer teurer werdende Miete zu stecken, läßt den mittlerweile über 40Jährigen keine Zeit zur Erarbeitung neuer Programme. Ihr Abschied ist nicht das Ende vom Unart: Der Sänger Daniel Samar versucht, es für die Szene zu retten. Sponsoren dringend gesucht! Waltraud Schwab
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