: Angeschlagener Simitis bei Kohl
■ Bedrängt durch parteiinterne Konflikte besucht Griechenlands Ministerpräsident heute die Bundesrepublik
Berlin (taz) – Der griechische Ministerpräsident Kostas Simitis kommt heute zu einem Arbeitsbesuch nach Bonn. Wie tags zuvor in Brüssel ist das Hauptthema seines Gesprächs mit Bundeskanzler Kohl die griechisch-türkische Krise. Nachdem Griechenland im Streit um die Insel Imia vom Europa-Parlament volle Rückendeckung erhielt, will Simitis auch die wichtigsten EU-Regierungen zur Solidarität bewegen.
Doch die Gesprächspartner von Simitis müssen sich fragen, wie fest dessen Regierung eigentlich im Sattel sitzt. Es sind vor allem die Rivalitäten innerhalb des Regierungslagers, die Simitis in Schwierigkeiten bringen. Etwa Verteidigungsminister Gerasimos Arsenis. Der fiel seinem Regierungschef in den Rücken, als dieser Generalstabschef Liberis zum sofortigen Rücktritt aufforderte. Liberis durfte noch zwei Wochen weiter amtieren. Zum ersten Mal seit 1974 wurde damit das Prinzip der Unterordnung des Militärs unter die politische Autorität angetastet.
Die regierende Pasok-Partei stellt sich so als ein Konglomerat aus drei Fraktionen dar, die sich nicht etwa um das bessere Programm streiten, sondern lediglich die „Hausmacht“ ihrer politischen Führer absichern. Selbst auf dem Kongreß der Parteijugend interessierte am Wochenende nur die Frage, zu wessen Seilschaft die neu gewählte Führung gehört. Simitis selbst sieht es als wichtigste Bedingung für seine Regierungsarbeit an, diese Fraktionierung zu überwinden.
Ein großer Schritt zur „Erneuerung der Partei“ schien mit der demokratischen Wahl des neuen Ministerpräsidenten durch die Parlamentsfraktion bereits gemacht. Was noch wichtiger war: Der Reformer Simitis konnte sich im zweiten Wahlgang durchsetzen, ohne einem einzigen Abgeordneten einen Regierungsposten zu versprechen – ein für griechische Verhältnisse revolutionäres Ereignis.
Doch von der Partei ist der „neue Geist“ damit noch längst nicht angenommen. „Pasok siegt gegen Simitis“ verkündete letzte Woche die Schlagzeile einer Parteizeitung. Und Simitis Hauptwidersacher, Innenminister Akis Tsochatsopoulos, hat bereits angekündigt, daß er auf dem Parteitag im Juli den faktischen Pasok-Vorsitz – als Stellvertreter des auf Lebenszeit präsidierenden Andreas Papandreou – anstrebt.
Ob Simitis gegen Tsochatsopoulos antreten will, ist noch offen. Tut er es, setzt er damit zugleich seine Rolle als Regierungschef und Spitzenkandidat für die Wahlen von 1997 aufs Spiel. Würde er antreten und unterliegen, könnte Simitis nur noch sofortige Neuwahlen anstreben, um seinem Rivalen die Grenzen aufzeigen. Denn der beherrscht zwar die Kaderpolitik, könnte aber niemals Wahlen für die Pasok gewinnen. Als ergebener Gefolgsmann Papandreous hat Tsochatsopoulos weder das Charisma seines Führers noch einen eigenständig denkenden Kopf.
Für ganz unwahrscheinlich halten Kenner des Parteilebens, daß sich Simitis und Tsochatsopoulos noch zusammenraufen. Doch wird sich Simitis vielleicht mit einer Tandemlösung abfinden: Mit einem Kandidaten für das Parteiamt, der an der Basis akzeptabler ist als er selbst, aber eben nicht Tsochatsopoulos heißt.
Im Grunde bleibt Simitis nur ein wirksames Mittel, um die Loyalität der eigenen Partei zu erzwingen. Er muß bis Juli möglichst erfolgreich regieren. Das ist nach der Ägäis-Krise nicht leichter geworden. So hatte Simitis im Rahmen seines Reformprogramms für die Sanierung des Staatshaushalts auch erhebliche Kürzungen des Militäretats vorgesehen. Die sind angesichts der Ägäis-Krise und gegen den Widerstand des Verteidigungsministeriums unrealistisch. Die Reform von Staat und Gesellschaft wird aber nur dann nicht auf Kosten der Ärmsten gehen, wenn sie mit einer kostendämpfenden Außenpolitik einhergeht. Eine solche Politik ist auf die Solidarität der EU-Partner angewiesen, um die sich Simitis in Brüssel, Bonn und Paris bemüht. Niels Kadritzke
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