: Sieben Buchstaben in vierter Instanz
■ Warum ein HH-19-Redakteur zu keiner Straftat aufrief
B–E–S–E–T–Z–E ... ! – Sieben Buchstaben, drei Punkte und ein Ausrufungszeichen, die über Jahre hinweg mehrere Staatsanwälte und Richter in Schach halten können und so Zehntausende Mark an Steuergeldern verbrauchen. Gestern ging es – viertinstanzlich – in eine neue Verfahrensrunde vor dem Hamburger Landgericht. Der Vorwurf: Der Redakteur Jörn Breiholz (28) soll als presserechtlich Verantwortlicher des Stadtmagazins „HH 19“ mit diesen 11 (Tasten-)Anschlägen zu einem strafbaren Hausfriedensbruch aufgerufen haben.
In der Dezemberausgabe der kostenlosen „Druckschrift“ schloß ein Artikel über den Wohnungsleerstand in der Max-Brauer-Allee 128 mit dem von der Staatsanwaltschaft zur Straftat hochgejubelten Ein-Wort-Satz. Nachdem das Amtsgericht 1994 den Redakteur in erster Instanz freigesprochen hatte, wollte das Landgericht ihn im gleichen Jahr zu einer Geldstrafe von 800 Mark verurteilen – doch das Urteil wurde vom Oberlandesgericht (OLG) verworfen, das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen. Gestern sprach auch Amtsrichter Wilfried Horstkotte den Journalisten frei. Doch Horstkotte ahnte, daß „dieses Urteil nicht das letzte Wort sein wird“. Erwartungsgemäß kündigte Staatsanwalt Michael Kikwitzki nach der Urteilsverkündung denn auch an, er glaube nicht, „daß dieser Spruch Rechtskraft erlangen“ würde.
Obwohl schon der eindeutige OLG-Beschluß Richter Horstkotte kaum eine andere Möglichkeit ließ, als Breiholz freizusprechen, schlug die Staatsanwaltschaft erneut das Angebot aus, das Verfahren auf Kosten der Staatskasse einzustellen. So mußte Horstkotte richten und verwies in seiner Begründung darauf, daß die monierten Punkte und Zeile „Besetze...!“ allein zu „unkonkret“ seien, um zu einer Straftat aufzurufen.
Zudem sei „nicht jede Besetzung ein Hausfriedensbruch“. Verteidiger Manfred Getzmann hatte in seinem Plädoyer darauf hingewiesen, daß eine „symbolische Besetzung“ straffrei sei, wenn das besetzte Objekt nicht mit Gewalt geöffnet werde und die BesetzerInnen der Aufforderung der Polizei, das Objekt ihrer Begierde zu verlassen, Folge leisten würden. Getzmann wörtlich: „Die meisten Besetzungen erfüllen keinen Straftatbestand!“
Marco Carini
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