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SanssouciVorschlag

■ Balanceakt mit Axt und Kettensäge: Trak Wendischs Bilder und Skulpturen bei Tammen & Busch

In den letzten Jahren der DDR einer der führenden Neoexpressionisten, hat sich der Künstler Trak Wendisch heute fast ganz auf die Seite der Bildhauerei geschlagen: mit der Axt, aber auch mit der Kettensäge. Wendisch bedient sich hauptsächlich verschiedener Hölzer, um aus ihnen Figuren entstehen zu lassen, die – auch wörtlich zu nehmen – durchs Feuer gegangen sind. Keine in sich ruhenden, fülligen Leiber, sondern ausgezehrte, ausgemergelte Gestalten, die Werken von Alberto Giacometti oder denen seines jüngeren Landsmanns Schang Hutter verwandt sind. Es sind Schattenfiguren, oder – so Michael Freitag im Katalog – „der Zeichnung entsprungene Materialisationen“, wie etwa die klumpfüßigen „Mondgucker“ und die „Mondfrau“, die sehnsüchtig und dem Zerreißen nahe ihre spinnenfeinen Gliedmaßen aus Bronze zur fahlen Riesenscheibe aus Japanpapier recken.

„Artisten“ heißt eine Gruppe von vielen Einzelgestalten: spindeldürre, aus zersplitterten Holzstümpfen hoch aufschießende Menschlein, die ein zweites Wesen oder einen Gegenstand balancieren und doch so gar nichts Zirzensisches an sich haben, fehlt ihnen doch alles Flüchtige und Leichte, Spielerische und Unterhaltsame. Form und Volumen bis aufs äußerste reduziert, erscheinen sie wie skulpturale Chiffren einer mühevollen und gefährdeten Gratwanderung. Andere Gestalten hängen in einem ausladenden kubischen Eisengerüst, als sei es monumentales Mobile und grausige Folterwerkstatt zugleich.

So gar nicht zirzensisch: Trak Wendischs „Artisten“, 1993, Gruppe aus dreizehn Einzelskulpturen Foto: Galerie

Mit schwarzer Farbe beschwerte Figuren schweben in allen nur denkbaren Positionen – gespreizt, gekrümmt, gestreckt oder geduckt, und dazwischen hängen weiße Körperfragmente, gespenstisch und beklemmend. Neben den in den Raum einschneidenden Skulpturen steht eine Reihe von großformatigen (zum Teil bemalten, zum Teil auch die durchscheinende Wand gestalterisch mit einbeziehenden) Holzreliefs. Mit flach geschnitzten Gesichts- und Körperlandschaften ringt Wendisch erneut dem Material eigenwillige Ausdrucksformen für Schmerz, Ratlosigkeit und Insichgekehrtheit ab, in dem sich das zeitgenössische Subjekt zu erkennen vermag. Michael Nungesser

Trak Wendisch, „Übergänge – Skulpturen und Zeichnungen“. Bis 17. März, Di.–Fr. 13–18, Sa. 11–14, So. 15–18 Uhr. Galerie Tammen & Busch, Fidicinstraße 40, Kreuzberg. Katalog 48 DM

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