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Konkursgefahr beim Ost-Vulkan

■ Der Volkswerft in Stralsund fehlen 500 Millionen Mark, die der Vulkan-Vorstand in maroden Westbetrieben verbraten hat. Jetzt drohen Gerichtsverfahren

Mehr als 40 Tochterunternehmen hat der Bremer Vulkan. Die meisten davon hat der ehemalige Chef Friedrich Hennemann seit Ende der 80er Jahre eingekauft. Seine Vision lautete: ein maritimer Technologiekonzern. Außer Werften standen auch Elektronik-, Anlagen- und Maschinenbauunternehmen auf seinem Einkaufzettel. Inzwischen haben außer der Dachgesellschaft in Bremen sechs weitere Firmen den Vergleich angemeldet, darunter auch die beiden Bremerhavener Werften Schichau Seebeck und Lloyd.

Die MTW-Werft in Wismar und die Volkswerft in Stralsund haben wegen des Mittelabflusses nach Westdeutschland arge wirtschaftliche Probleme, heißt es. Auch das Dieselmotorenwerk in Rostock kämpft gegen den Vergleich oder gar Konkurs. Insgesamt 850 Millionen Mark an Treuhand-Fördergeldern sollen aus dem großen gemeinsamen Topf nach Westen statt nach Osten geflossen sein, glaubt die EU-Kommission. Ein erheblicher Anteil davon ist offenbar in der maroden Maschinenfabrik Dörries Scharmann in Mönchengladbach verschwunden. Auch sie hatte Hennemann als vermeintliche Perle vor ein paar Jahren aufgekauft. Aber der Laden brachte nur Verluste — allein im letzten Jahr 200 Millionen Mark. 170 Millionen Mark davon wurden aus der zentralen Vulkan-Kasse gestopft, räumte auch das Vorstandsmitglied des Betriebs Gödecke vor kurzem ein. In der aktuellen Vergleichssituation ist Dörries Scharmann deshalb noch nicht betroffen: Eine drohende Überschuldung steht dank der Ostgelder nicht bevor: Nur 30 Millionen Mark Verlust muß der Betrieb in die Bilanz schreiben.

Der Wirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff (SPD), droht unterdessen mit gerichtlichen Schritten, um die Treuhand-Gelder zurückzuholen. Für die MTW-Werft in Wismar könnte der Verlust der über 500 Millionen Mark Fördergelder an die Substanz gehen. Weil bei einem Vergleich oft nur ein Drittel der Gelder an die Gläubiger zurückfließt, könnte die Eigenkapitaldecke zu dünn werden. Dann müßte der Betrieb, wenn nicht weitere staatliche Gelder kommen, Konkurs anmelden muß.

Bundesweit arbeiten zur Zeit noch 20.300 Leute beim Vulkan- Verbund, von denen 8.700 in Bremen und Bremerhaven und 7.000 in Mecklenburg-Vorpommern schuften. Ende 1994 hatten noch 25.500 Beschäftigte auf der Lohnliste gestanden. Hennemann ist einer von denen, die seither gestrichen wurden. Er allerdings muß sich wohl erst einmal nicht sorgen, vorausgesetzt er hat nicht illegal gehandelt: Zwei Millionen Mark Abfindung hat er kassiert. In Gefahr aber sind wohl sein Dienstwagen und die für fünf Jahre vom Vulkan bezahlte Sekretärin. aje

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