: Treuer Dank
■ „Winterreise“ mit Kurt Moll
Die Hamburger lieben Kurt Moll. Zu Recht, glänzte er hier doch in den vergangenen Jahren mit einigen seiner größten Rollen – als Osmin in Mozarts Entführung aus dem Serail etwa, und zuletzt als Daland in Marellis Inszenierung von Wagners Der Fliegende Holländer.
Am vergangenen Freitagabend wurde der Starbaß mit herzlichem Empfangsapplaus begrüßt, als er die Bühne betrat, um Schuberts Winterreise zu interpretieren. 1827 komponiert, verfehlt der Liederzyklus auch heute seine Wirkung nicht. Basierend auf Texten von Wilhelm Müller, ist Schuberts Musik extrem persönlich.
Die Verbitterung des Wanderers, der auszieht, um seine unglückliche Liebe hinter sich zu lassen, setzte der Komponist in facettenreiche Lieder um und macht dem Hörer deutlich, daß diese Flucht vor den eigenen Gefühlen nicht gelingen kann.
Diesem Nuancenreichtum war Kurt Moll bei seinem Vortrag nicht immer gewachsen. Zu Beginn etwas unsicher, hatte er Schwierigkeiten, seine imponierende Stimme schlank zu führen. Die leidenschaftlichen Ausbrüche gelangen ihm besser als die ruhigen Momente.
So stand bei seiner Interpretation zunächst die Verbitterung des Wanderers im Vordergrund, während man die verhaltene, stille Verzweiflung ein wenig vermißte. Erst in der zweiten Hälfte traf er den schlichten, eindringlichen Ton, der dem Werk entspricht. Der Bitterkeit bei „Auf dem Flusse“ folgte, zum Beispiel bei „Die Krähe“, eine Art morbide Verwirrung. In den letzten Liedern wurde vor allem die Erschöpfung des unglücklich suchenden Wanderers spürbar.
Beim abschließenden „Der Leiermann“ ließ Moll keinen Zweifel daran, daß das Ziel des Weges zwangsläufig der Tod ist. Seine eigene Lebensmüdigkeit kann der Reisende selbst in seiner Verzweiflung angesichts des Todes nicht abschütteln.
Der junge Stefan Irmer war am Flügel ein einfühlsamer Begleiter, der sich stets in den Dienst des Solisten stellte. Am Ende dankte der Saal Moll mit großem Jubel und vielen Bravo-Rufen. Das Publikum liebt seinen Star eben. Auch an nicht ganz perfekten Abenden.
Christian Carsten
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