: Mr. Smith, Sie sind ent-angestellt! Von Andrea Böhm
Arbeitsplätze sind das beherrschende Thema dies- und jenseits des Atlantik. Auf der einen Seite fehlen ein paar Millionen. Auf der anderen Seite werden Hunderttausende gutbezahlte Jobs abgebaut, aber immerhin durch so viele schlechtbezahlte Jobs ersetzt, daß man sich am besten gleich drei oder vier schnappen muß, um über die Runden zu kommen.
Aber genug des Jammerns und des Mitleids für die armen Arbeitnehmer oder Arbeitslosen. Zeigen wir endlich mal Mitgefühl für die Manager, Bosse, und Aufsichtsratsvorsitzenden, die all die Entlassungen vornehmen müssen. Knochenarbeit, die sonst keiner machen will. Das geht an die Nerven und an die Seele, weswegen man ihnen ein paar Streßzulagen beim Jahressalär ruhig gönnen soll. Wenn Robert Allen, Chef des Telefonkonzerns AT&T, 40.000 Leute entläßt, um den Wert der Firmenaktien an der Börse hochzutreiben, dann muß man ihm diese Mühe adäquat entlohnen. In diesem Fall mit 3,3 Millionen Dollar Jahreseinkommen. William Ferguson, ehemals Chef beim Telefonkonzern Nynex, feuerte nur 17.000 Angestellte, verdiente aber auch nur 800.000 Dollar im Jahr.
Arbeitnehmer feuern ist eine delikate Tätigkeit, die viel Feingefühl und ein ausgefeiltes Kommunikationsverhalten erfordert. Nach der Fusion zwischen der Chase Manhattan Bank und der Chemical Bank, der bedauerlicherweise 10.000 Jobs zum Opfer fielen, entwarf die Chefetage Richtlinien für die Abteilungsleiter für das korrekte Entlassen von Angestellten: Das Gespräch mit zukünftigen Arbeitslosen soll demnach am Morgen in einem „neutral gehaltenen Konferenzraum“ stattfinden und nicht länger als fünf bis zehn Minuten dauern. „Formulieren Sie die Nachricht kurz, klar und einfach. Zeigen Sie Mitgefühl, aber lassen Sie sich nicht in die Defensive drängen. Legen Sie eine Schweigepause ein, um dem Angestellten die Möglichkeiten zur Reaktion zu geben.“ Immerhin, wer gefeuert wird, darf noch reagieren. Aber nicht zu heftig. „Deuten sich heftige Reaktionen an, benachrichtigen Sie den Sicherheitsdienst oder den Betriebsarzt.“
Im übrigen ist es vollkommen veraltet, den oben beschriebenen Vorgang als „Feuern“ oder „Kündigen“ zu bezeichnen. Die New York Times stellte unlängst eine Liste der Euphemismen zusammen, die Amerikas Firmenchefs geprägt haben, um nicht mehr sagen zu müssen: „You're fired.“ Heutzutage wird man „dekrutiert“, „disloziert“, „unfreiwillig getrennt“ oder „de-hired“, was im Deutschen etwa mit „ent-angestellt“ zu übersetzen wäre. „Massenentlassung“ ist ebenfalls ein Wort, das keiner gerne hört oder ausspricht. Folgende Alternativen stehen zur Auswahl: „Lohnlistenanpassung“, „Reduktion von Personalüberfluß“, „Reorganisierung“, „Korrektur des Arbeitnehmer-Ungleichgewichts“ oder „Umordnung der Produktionsfaktoren“. AT&T nennt seine Kündigungswelle ein „Arbeitskräfte- Management-Programm“. Chase Manhattan registriert jede Kündigung branchengerecht als „Spareinlage“. Arbeitgeber mit einem Sinn für blumige Metaphern wie der kanadische Zeitungsmagnat Conrad Black sind eher selten geworden. Black weist seine Abteilungsleiter nicht an, Entlassungen zu schreiben, sondern „Katzen zu ertränken“.
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