: Die andere Wirklichkeit
■ Detlev Buck und sein Team zu Besuch in Fuhlsbüttel: ein guter Wille, ein Film und eine Diskussion – fast gar nicht peinlich Von Ulrike Winkelmann
So nah waren Fiktion und Realität sich lange nicht mehr: Gestern stellte Detlev Buck seinen Film Männerpension im Knast „Santa Fu“ vor. Geladen waren nicht nur alle Insassen der Anstalt II in Fuhlsbüttel, sondern auch ein Haufen Journaille.
Eckhard Theophil, Drehbuch-Co-Autor, war aufgeregt: „Die Vorstellung ist eine Art Nagelprobe – wenn die Knackis den Film gut finden, ist er in Ordnung.“ Theophil selbst hat bereits acht Jahre unfreiwilig in Santa Fu zugebracht. Aber auch Buck war nicht zum ersten Mal in Santa Fu zu Gast – ursprünglich hatten die Knastszenen hier gedreht werden sollen, die vielen Sicherheitsvorkehrungen entpuppten sich dann jedoch als ausgesprochen hinderlich. „Die hatten Angst, daß wir mit 42 Leuten reinkämen und mit 44 wieder raus.“ So hatte sich das Filmteam in Fuhlsbüttel zwar inspirieren lassen, gedreht wurde aber in einem Ex-DDR-Knast.
Die lebhaften Reaktionen aus dem Publikum dürften Theophil beruhigt haben. Heike Makatsch als permanent halbnacktes Blondchen und Marie Bäumler als Harte-Frau-mit-weichem-Kern (natürlich schwarzhaarig) kamen bombig an. „Das Schöne an Frauen ist, daß man was hat, worauf man sich freuen kann“, sagt Buck am Schluß im Film zu Schweiger – dann sitzen beide, nachdem sie „draußen“ fast mit ihren Frauen glücklich geworden wären, wieder hinter Gittern.
Um Frauen im Männerknast ging es auch in der anschließenden Podiumsdiskussion. Detlev Buck brachte den nicht unbedingt originellen Vorschlag an, Frauen- und Männerknäste zusammenzulegen und meinte: „Wenn ich dat so sehe, wie ihr hier drauf seid, muß ich sagen, ich fühle mich wohl.“ Das, merkte Insassenvertreter Jens Stuhlmann an, liege daran, daß die realen Knackis anders wären als die in der „Männerpension“. Als „unrealistisch und verzerrend“ bemängelte er den Streifen: „Die Gefangenen wurden bloß dumm und geil dargestellt.“ Teophil protestierte: „Der Film war eine Liebeserklärung an die Knackis!“ Sein Anliegen, fügte Buck hinzu, sei nicht gewesen, „den Knacki schlechthin“ darzustellen, sondern „von Männern zu erzählen, die sich aufmachen und sich verlieben“. Was die Klischees anginge, meinte auch Marie Bäumler, so „müssen die bedient werden.“ Schließlich hätten auch Klischees ein Recht auf Leben.
Uwe Zimmermann vom Knast-Kulturteam nutzte die Gelegenheit darauf hinzuweisen, daß zwischengeschlechtliche Kontaktaufnahme im Film zwar nett gezeigt werde, „aber mit unserer Realität nichts zu tun hat“. Einmal im Monat sei den Gefangenen ein unkontrollierter, achtstündiger Langzeitbesuch von Frauen gestattet. „Hier gibt es nur Sicherheit und Ordnung, und dann kommt lange Zeit nichts mehr, und dann der Rest – hier wird nur noch verwahrt und verwaltet“, referierte er die Wirklichkeit. Applaus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen