: Bevorzugt lang und schlank
■ Im Qualm der Nostalgie: Einer der beiden letzten Hamburger Zigarrenmacher wickelt und klebt in der Alten Königstraße Von Maja Schuster
Bevor er anfängt an der Rollmaschine zu arbeiten, steckt sich Stefan Appel erst mal eine an. Dann nimmt er die Blätter für den Zigarrenkörper – bereits am Vortag befeuchtet –, entfernt die Mittelrippe, schneidet die Blatthälften zurecht und rollt die Tabakeinlage mit Hilfe des Fußhebels am Rolltisch ein. Um den Zigarrenkörper wickelt er ein speziell zugeschnittenes Deckblatt. Nach dem Trocknen in einer Presse wird das Mundstück mit Pflanzenklebstoff befestigt – es darf geraucht werden.
„Otto Hatje Zigarrenmacher, gegründet 1922“, steht auf dem Schild, das über dem Schaufenster des kleinen Ladens in Altona hängt. Und gute 70 Jahre alt ist auch der Rolltisch für Zigarren, der gleich am Eingang des Geschäfts steht. Von der Decke hängen Tabakblätter, es riecht nach Rauch. Lange nicht mehr gelüftet. Holzkistchen, in denen die diversen Zigarren – fein säuberlich geordnet nach Dicke, Länge und Füllung – liegen, füllen die Regale. Dazwischen ein blonder, kleiner Mann: Stefan Appel, 28 Jahre alt und gelernter Kfz-Mechaniker, ist Angestellter, arbeitet seit fünf Jahren in dem Qualm der Nostalgie und ist einer der beiden letzten Hamburger Zigarrenmacher.
Seit Gründer Otto Hatje Ende der siebziger Jahre starb, ging der Laden durch viele Hände. Der derzeitige Besitzer, der nur etwa alle vier Wochen auftaucht, hat das Geschäft 1991 aus dem Familienbesitz der Familie Daniels übernommen. Möglichst ursprünglich wollte er den Laden gestalten, Zigaretten, Zeitungen und Lottoscheine verschwanden aus dem Sortiment. Ausschließlich Zigarren und Zubehör sowie vier verschiedene Sorten Whisky, Rum, Köm und Sherry, die in Holzfässern ruhen und auch in mitgebrachte Flaschen gefüllt werden, bietet er an. Der Tabak zum Selberrollen kommt aus Indonesien, Brasilien, Mexiko und Cuba. Aus der Dominikanischen Republik und aus Honduras werden Fertigprodukte direkt importiert.
Im Geschäft in der Alten Königstraße 5 stellt Stefan Appel, der, seit er Tabak rollt, auch raucht, monatlich nur noch etwa 200 Stück selbst her. Eine süddeutsche Firma mischt und dreht den Großteil der insgesamt fünfzig verschiedenen Zigarren und Zigarillos des Sortiments, die zwischen 55 Pfennig und 3,60 Mark pro Stück kosten. Jeden ersten Samstag im Monat lädt Appel zur „Zigarrenherstellung zum Anfassen“ ein. Interessierte können ihm beim Drehen zuschauen, etwas Proberauchen – und auf den Geschmack kommen?
„Nur von dem Geschäft zu leben, wäre ein bißchen bitter“, sagt der zurückhaltende, eher schüchtern wirkende Mann, der außerdem den gesamten Versand der Zigarren organisiert, und nimmt genußvoll einen Zug. Etwa 70 Prozent des länglichen Genußmittels erreichen den Kunden per Post. Meistens sind es ältere Herren, die hier kaufen und bestellen. Ein typischer Kunde betritt den Laden. Unrasiert, grauhaarig. Ohne den Glimmstengel aus dem Mund zu nehmen, äußert er seinen Wunsch. „Hell oder dunkel, feinste Sumatra oder Brasil?“, fragt Appel. Viel bleibt nicht zu sagen. „Wie läuft das Geschäft“, krächzt der Alte noch, wartet die Antwort kaum ab und schlurft aus dem Laden.
Kaufen hier auch Frauen? „Selten“, sagt Appel mit ruhiger Miene. Und wer raucht Zigarren? Alte Männer und emanzipierte Frauen? „Die langen, schlanken verkaufen sich besonders gut“, weicht Appel aus und grinst.
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