: Friedensgefährdende Rückkehr
Deutschlands Pläne, Bosnienflüchtlinge schon ab dem 1. Juli in ihre Heimat zurückzuschicken, stoßen auf harsche Kritik. UN-Konferenz rät zum Abwarten und zur „Rückführung auf Probe“ ■ Aus Oslo Reinhard Wolff
Die Pläne der Bundesrepublik, am 1. Juli mit der Rücksendung bosnischer Flüchtlinge zu beginnen, stoßen auf deutliche Kritik des UNHCR und mehrerer europäischer Länder. Dies wurde auf einer UN-Konferenz zur Frage der Bosnienflüchtlinge deutlich, an der am Freitag 47 Länder und mehrere internationale Flüchtlingsorganisationen in Oslo teilnahmen. Die Konferenz, die auf Initiative Norwegens und des UNHCR stattfand, verabschiedete eine 12-Punkte-Empfehlung, die klarmacht, daß das Vorpreschen Deutschlands und Österreichs in dieser Frage angesichts der aktuellen Situation in Bosnien als zu voreilig eingeschätzt wird. Deutlich wird davor gewarnt, eine Repatriierung zu übereilen: Dies könne den gesamten Friedensprozeß gefährden.
Der UNHCR schätzt es als unrealistisch ein, schon 1996 zu einem Heimkehrerjahr zu machen. Selbst die Erwartung, ein Viertel der insgesamt zwei Millionen bosnischen Flüchtlinge könnten bereits dieses Jahr zurückkehren, wurde in Oslo mehrheitlich als zu optimistische Einschätzung zurückgewiesen. Bosniens Flüchtlingsminister Nudzeim Recica machte klar, daß eine weitere Verzögerung der internationalen Wiederaufbauhilfe selbst die Rückführung eines Zehntels der Flüchtlinge unrealistisch mache.
Søren Jessen-Petersen, Bosnienbeauftragter des UNHCR, erklärte, es sei viel zu früh, schon jetzt ein Datum für die Rückführung der Flüchtlinge festzusetzen. „Wir müssen mit dem Wiederaufbau und friedenssichernden Maßnahmen erst viel weiter vorankommen, bevor wir daran denken können.“ Verschiedene Länder erklärten in Oslo, sie wollten den UNHCR-Empfehlungen bezüglich einer abgestimmten Rückführung folgen. Die bundesdeutsche Delegation dagegen machte deutlich, daß man weiterhin am von der Regierung festgelegten Zeitplan festhalten wolle.
Grundsätzlich müßten nach UNHCR-Meinung drei Kriterien erfüllt sein, bevor überhaupt eine Rückführung stattfinden dürfe: Die militärischen Bestimmungen des Friedensabkommens müßten eingehalten werden. Eine Amnestie für alle, die nicht als Kriegsverbrecher eingeordnet werden können, müsse erlassen werden. Und ein Organ zum Schutz der Menschen- und Bürgerrechte müsse geschaffen werden. Schwerste Hürde in diesem Forderungskatalog ist nach Einschätzung der Konferenz eine Straffreiheit für Deserteure. Entsprechende gesetzliche Regelungen lassen noch länger auf sich warten.
Allenfalls angebracht hält der UNHCR eine von den jetzigen Aufnahmeländern finanzierte „Rückkehr auf Probe“. Mehrere Länder erklärten sich in Oslo bereit, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine derartige Regelung schnellstmöglich zu schaffen. Dabei sollen die Flüchtlinge ihre aufenthaltsrechtliche Stellung nicht verlieren und jederzeit in ihr Fluchtland zurückkehren können, falls sich die Situation in Bosnien als „zu schwer“ herausstellen sollte.
Eine solidarischere Verteilung der finanziellen Lasten für einzelne Länder wurde in Oslo wieder einmal eingefordert, ohne daß diese Frage gelöst wurde. Zwar haben rund 25 Länder Flüchtlinge aus Bosnien aufgenommen. Doch 90 Prozent aller Kriegsflüchtlinge aus dem Balkan halten sich in fünf Ländern auf: in Deutschland, Österreich, Dänemark, Schweden und den Niederlanden.
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