piwik no script img

Kronprinzessin des Showgeschäfts

„Life is a Cabaret“: Heute wird Liza Minnelli fünfzig. Obwohl das königliche Blut der Bühne in ihr fließt, konnte sie den „Cabaret“-Erfolg nur noch einmal wiederholen – in „New York, New York“ an Robert de Niros Seite  ■ Von Lars Penning

Liza Minnelli gilt als die US- amerikanische Entertainerin schlechthin, und nicht nur den Fans klingt ihr „New York, New York“ als einzig gültige Interpretation des Songs noch im Ohr. Als Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin verkörpert Minnelli auf der Bühne wie im Film den heute nahezu ausgestorbenen Typus einer Performerin, den wohl nur der intensive Umgang mit den Showgrößen einer anderen Ära hervorbringen konnte. „Wenn es so etwas wie königliches Blut im Showgeschäft gäbe, wäre sie unsere Kronprinzessin“, sagt Fred Astaire in dem Musicalkompilationsfilm „That's Entertainment“ über die Minnelli und spielt dabei auf ihre Eltern, Hollyoood-Regisseur Vincente Minnelli und Musicalstar Judy Garland, an.

Ihr Filmdebüt gab Liza Minnelli bereits im zarten Alter von nur zweieinhalb Jahren, als für das Musical „In the Good Old Summertime“ eine kleine Filmtochter für Judy Garland und Van Johnson gesucht wurde. In der Schlußeinstellung ist Liza etwa zehn Sekunden lang zu sehen, mit großen Augen in eine Welt schauend, die ihr offensichtlich neu und verwirrend erscheint. Doch an die Scheinwelt der Studios gewöhnte sie sich schnell, und oft stand sie in den kommenden Jahren in den Kulissen, um ihrem Vater bei der Arbeit zuzuschauen.

Obwohl sie in seinem Film „The Long, Long Trailer“ (1954) eine winzige Rolle hatte und 1956 beim Aufrtitt ihrer Mutter im New Yorker „Palace“ als Gaststar eine kleine Nummer tanzte, war Liza Minnelli im Gegensatz zu Judy Garland kein Kinderstar. Zwar ermutigte Garland ihre Tochter, zu singen und zu tanzen, aber die eigenen schlechten Erfahrungen standen ihr noch allzu deutlich vor Augen: Bereits als Siebenjährige war sie zusammen mit ihren Schwestern öffentlich aufgetreten und von ihrer ehrgeizigen Mutter, die in der talentierten Kleinen eine potentielle Goldmine witterte, auf eine kommende Filmkarriere vorbereitet worden. Im Alter von dreizehn Jahren stand Garland bei MGM unter Vertrag, als Sechzehnjährige wurde sie mit „The Wizard of Oz“ zum Superstar. Doch leider steckte der Superstar mit der begnadeten Stimme in einem reichlich unvollkommenen Teenagerkörper. Allzuleicht setzte sie einige Pfunde zuviel an und lebte mehr oder weniger von Diätpillen sowie von Aufputsch- und Beruhigungsmitteln zur Bewältigung des Stresses. Vierzig Jahre später wird die gleiche Routine ihre Tochter als Patientin in die Betty-Ford-Klinik treiben. Mit Ende zwanzig war Garland ein Wrack. Sie schlitterte von einer Nervenkrise in die nächste und galt als schwierig und unzuverlässig. Trotz großer Erfolge wurde sie nach fünfzehn Jahren und nahezu dreißig Filmen von MGM wie eine ausgepreßte Zitrone fallengelassen – was ihre Filmkarriere faktisch beendete. In den folgenden zwei Jahrzehnten bis zu ihrem Tod 1969 (durch eine versehentlich eingenommene Überdosis Schlaftabletten) trat sie in nur noch vier Filmen auf.

Ihre ersten ernsthaften Schritte im Showgeschäft machte Liza Minnelli daher erst im Alter von sechzehn Jahren. Zunächst wollte sie Tänzerin werden, nahm jedoch schon bald Schauspielunterricht und ließ auch ihre Stimme ausbilden. Ihr berühmter Name erwies sich zu Beginn der Karriere eher als Last. Einige Jahre lang mußte sie Rollen in kleinen Theaterproduktionen annehmen oder durch Nachtklubs tingeln, ehe sich der Erfolg langsam einstellte.

Die erste Filmrolle als Erwachsene bekam Minnelli 1968 in der von Hauptdarsteller Albert Finney inszenierten britischen Produktion „Charlie Bubbles“. Sie spielt die Sekretärin und Geliebte Finneys und gab das laut Kritiker John Simon „unglücklichste Filmdebüt seit Turhan Bey“. Doch schon mit der Rolle einer Collegestudentin in ihrem zweiten Film „The Sterile Cuckoo“ (1969) etablierte sie jenen Typus von Filmcharakter, den sie von nun an häufig und erfolgreich verkörpern sollte: eine relativ unattraktive Frau (in Otto Premingers „Tell Me That You Love Me, Junie Moon“ ist sie sogar durch Säure verunstaltet), die ihre Unsicherheit und den Wunsch nach Geborgenheit und Liebe hinter verschiedenen Masken versteckt. So zeigen „The Sterile Cuckoo“, „Cabaret“ (1971) und „Lucky Lady“ (1974) sie beispielsweise als extrovertierte Quasselstrippe, während sie Robert de Niro in Martin Scorseses „New York, New York“ (1977) anfangs sehr unterkühlt auf Distanz hält. Zurückweisungen enden oft mit einem Zusammenbruch (zum Beispiel wegen des abgesagten Treffens mit ihrem Vater in „Cabaret“) oder einem hysterischen Anfall (in „New York, New York“), und immer wieder müssen ihre Filmpartner ihr versichern, wie schön und attraktiv sie sei. Doch selbst Minnellis Äußeres erscheint maskenhaft. Ds wahre Ich ist versteckt hinter Glitter, Schminke und falschen Wimpern.

Doch die von ihr verkörperten Charaktere verfolgen oft auch konsequent den Weg zum Erfolg: Im Konflikt zwischen privatem Glück und beruflichem Erfolg entscheiden sie sich stets für die Karriere. So läßt Minnelli zum Beispiel in „Cabaret“ ihr Kind abtreiben oder trennt sich in „New York, New York“ von ihrem erfolglosen Ehemann. Mit „Cabaret“ wird Minnelli zum erstenmal als musikalische Performerin herausgestellt: Die Nummern laufen im Kontext eines Bühnenauftritts ab, kommentieren jedoch stets die Handlung, was die von Regisseur Bob Fosse intendierte Austauschbarkeit von Kabarettnummern und Privatleben der Figuren verdeutlicht („Life is a Cabaret“). Obwohl sie für die Darstellung der Nachtklubsängerin Sally Bowles den Oscar gewann und zum Superstar aufstieg, gelang es eigentlich nur noch Scorsese in „New York, New York“, dem Film, in dem Minnelli ihrer Mutter am meisten ähnelt, von ihrer Ausstrahlung und phantastischen Stimme adäquat Gebrauch zu machen.

Die meisten anderen Produktionen waren eher eine Enttäuschung: Weder Stanley Donens Rumschmugglerkomödie „Lucky Lady“ (1974) noch „A Matter of Time“, den sie 1976 unter der Regie ihres Vaters in Italien drehte, konnten sich des Zuspruchs von Kritikern oder Publikum erfreuen. Auch das Kino der achtziger und neunziger Jahre hatte für Minnelli kaum Rollen zu bieten: Nur die Verkörperung einer Tanzlehrerin in dem britischen Musical „Stepping Out“ (1991) sticht aus der Folge von kleinen Gastauftritten und Supportrollen in wenig niveauvollen Komödien heraus. In ihrem chaotischen Privatleben schien sie zeitweise ihrer Mutter nachzueifern, doch mit ihren Auftritten und Tourneen (zum Teil mit Frank Sinatra und Sammy Davis jr.) konnte Minnelli immer wieder große Erfolge erzielen. In den letzten Jahren gelang ihr mit einem von den Pet Shop Boys produzierten Album sogar der Sprung in die Pop-Charts.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen