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Geld

Auch ein Kommentar zu den Haushaltsdebatten dieser Tage: Jeder, der damit umgeht, weiß daß Geld Geld ist. Aber ist Geld nun Geld, oder ist Geld nicht Geld?  ■ Von Gertrude Stein

Jeder muß sich jetzt wirklich entscheiden. Ist Geld nun Geld oder ist Geld nicht Geld. Jeder der es verdient und es jeden Tag zum Leben ausgibt weiß daß Geld Geld ist, jeder der darüber abstimmt wieviel Steuern eingetrieben werden sollen weiß daß Geld nicht Geld ist. Das ist es was alle verrückt macht.

Es war einmal ein König, der hieß Ludwig der Fünfzehnte. Er gab Geld aus wie sie es heute ausgeben. Er gab es einfach aus und gab es aus und eines Tages wagte es jemand dem König das zu sagen. Oh, sagte der, nach mir die Sintflut, solange er lebe würde es reichen, also sei es doch egal. Als dieser König seine Herrschaft begonnen hatte nannte man ihn Ludwig den Vielgeliebten, als er starb blieb nicht einmal mehr jemand bei ihm um ihm die Augen zuzudrücken.

Aber all diese Probleme gibt es eigentlich wegen dieser Frage ist Geld Geld. Jeder der jeden Tag davon lebt weiß daß Geld Geld ist aber die Leute die über Geld abstimmen, Präsidenten und der Kongreß, sehen Geld nicht so wenn sie darüber abstimmen. Ich erinnere mich noch wie mein Neffe als er ein kleiner Junge war irgendwo spazieren ging und viele Pferde sah; er kam nach Hause und er sagte, oh Papa, ich habe gerade eine Million Pferde gesehen. Eine Million, sagte sein Vater, naja, sagte mein Neffe, es waren drei. Das haben wir dann immer alle gesagt wenn jemand Zahlen benutzte die er nicht zählen konnte naja eine Million oder drei. Das ist der springende Punkt. Wenn man Geld verdient und jeden Tag Geld ausgibt dann kennt man den Unterschied zwischen einer Million und drei. Wenn man aber über Geld abstimmt dann gibt es keinen richtigen Unterschied zwischen einer Million und drei. Und so muß sich jeder entscheiden ist für jeden Geld Geld oder nicht.

Das ist es worüber jeder eine Menge nachdenken muß oder alle werden furchtbar unglücklich werden denn die Zeit wird kommen wo das Geld über das abgestimmt wird plötzlich einfach Geld wird wie das Geld das jeder jeden Tag verdient und jeden Tag zum Leben ausgibt und wenn diese Zeit kommt werden alle sehr unglücklich werden. Ich wünschte wirklich jeder würde sich entscheiden ob Geld Geld ist.

Es ist furchtbar schwer für jemanden zu glauben daß Geld Geld ist wenn es mehr davon gibt als man zählen kann. Darum sollte es irgendein Verfahren geben so daß nicht gleich über Geld abgestimmt wird. Wenn man Geld ausgibt das man jeden Tag verdient überlegt man es sich natürlich sehr genau bevor man mehr ausgibt als man hat, und meistens macht man es nicht. Wenn es also irgendeine Regelung gäbe daß wenn eine Gruppe abstimmt und beschließt Geld auszugeben, daß sie dann lange warten müßte, und eine andere Gruppe abstimmen müßte, bevor sie wieder abstimmt und das Geld bekommt, kurz, wenn es irgendwie ginge eine Regierung dazu zu bringen mit Geld umzugehen wie ein Familienvater mit Geld umgehen muß wenn das nur irgendwie ginge. Der natürliche Instinkt eines Familienvaters wenn ihn irgend jemand nach Geld fragt ist nein zu sagen. Jeder Familienvater, jedes Familienmitglied weiß das ganz genau.

Bis also jeder der über öffentliche Gelder abstimmt sich daran erinnert was er als Familienvater fühlt, wenn er nein sagt, wenn irgend jemand in der Familie Geld will, bis diese Zeit kommt, wird es viele Probleme geben und ein paar Jahre später werden alle sehr unglücklich werden.

In Rußland versuchten sie zu beschließen daß Geld nicht Geld sei, und jetzt lernen sie langsam aber sicher wieder daß Geld Geld ist. Ob es einem nun gefällt oder nicht Geld ist Geld und das ist alles. Jeder weiß das. Wenn sie es verdienen und ausgeben was sie verdienen dann wissen sie es dann wissen sie wirklich daß Geld Geld ist und wenn sie darüber abstimmen dann wissen sie nicht daß es Geld ist.

Das ist das Problem mit jedem, es ist furchtbar schwer wirklich zu wissen was man weiß. Wenn man es verdient und es ausgibt kennt man wirklich den Unterschied zwischen drei Dollar und einer Million Dollar, aber wenn man es sagt und darüber abstimmt, hört sich alles gleich an. Natürlich tut's das, das täte es für jeden, und das ist der Grund warum sie darüber abstimmen und immer wieder darüber abstimmen werden. Also bitte, das gilt jetzt für jeden, jeden jeden, bitte, ist Geld Geld, und wenn es das ist, sollte es gleich sein, ob es nun ein Familienvater verdient und ausgibt oder eine Regierung, wenn es das nicht ist gibt es früher oder später ein Unglück.

Diesen Text haben wir entnommen: Getrude Stein, „Money“, Edition Plasma (Emilie Böhme- Windsheimer, Wiener Str.14, 10999 Berlin), 24 Seiten, 25 DM. Es handelt sich um eine gekürzte Fassung. Die in dem Band enthaltenen Texte „Money“, More about Money“, „Still more about Money“, „All about Money“ und „My last about Money“ erschienen zwischen 1936 in der „Evening Post“ und 1974 erstmals gesammelt in dem Sammelband „How Writing Is Written“ (Black Sparrow Press, Los Angeles)

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