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Chor der Mehrwertsteuer-Sänger formiert sich

■ Finanzminister Waigel pfeift noch. Crescendo bei der CDU. Mißklang in der SPD-Spitze. FDP sucht den Kontrapunkt. Finale kommt nach den Landtagswahlen

Berlin (taz/AFP/dpa) – Die Mehrwertsteuer ist in aller Munde. Finanzminister Theo Waigel und SPD-Chef Oskar Lafontaine bestreiten zwar heftig, daß es mit ihnen eine Erhöhung geben werde. „Das kommt mit uns nicht in Frage“, sagte Lafontaine gegenüber der Bild-Zeitung. „Es gibt keine Pläne für eine Mehrwertsteuererhöhung“, behauptete die Sprecherin von Waigel. Aber für andere Politiker verschiedener Couleur ist die neuerliche Belastung der VerbraucherInnen nach den drei Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein am nächsten Wochenende schon so gut wie ausgemacht. Schließlich sind die öffentlichen Kassen leer.

Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder strafte seinen innerparteilichen Kontrahenten Lafontaine in einem Spiegel-Gespräch Lügen. Für ihn sei die Mehrwertsteuer „kein prinzipielles Tabu“. Bild am Sonntag zitierte den sächsischen Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit, Kajo Schommer (CDU), mit der Aussage: „In Bonn sagt schon fast jeder hinter vorgehaltener Hand, daß noch in diesem Jahr der Beschluß zur Erhöhung der Mehrwertsteuer kommen muß. Offiziell wird vor den Landtagswahlen beschwichtigt und dementiert.“

Der FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Gerhardt wies am Samstag in Bonn alle Spekulationen um eine bevorstehende Erhöhung der Mehrwertsteuer vehement zurück. Die Liberalen seien strikt dagegen, sagte Gerhardt. „Wer diese Schleuse öffnet, der zerschlägt den Sparkurs und mutet Bürgern und Wirtschaft ein weiteres Ansteigen der ohnehin viel zu hohen Steuer- und Abgabenlast zu.“ Der Staat dürfe jetzt weder in höhere Steuern noch in Verschuldung ausweichen. Eine Anhebung der Mehrwertsteuer gefährde die konjunkturelle Belebung und damit Jobs.

Ausgelöst durch die einbrechende Konjunktur, die steigende Arbeitslosigkeit und Waigels Fehlkalkulationen, wird die Debatte darüber, wie die riesigen Löcher in der Staatskasse gestopft werden können, die nächsten Wochen anhalten. Es gibt verschiedene Optionen. Zum einen können Steuern erhöht werden – wobei die Mehrwertsteuer Geringverdiener besonders hart trifft, weil sie einen überproportinal großen Teil ihres Geldes für den Konsum ausgeben müssen. Zum zweiten kann die Neuverschuldung erhöht werden – was eine Erfüllung der Maastricht- Kriterien für die Währungsunion unwahrscheinlicher macht. Die dritte Möglichkeit heißt Sparen – wobei allerdings viele Ausgabenposten gesetzlich vorgeschrieben sind. Schließlich eröffnet die Krise auch wieder die Chance auf eine Ökosteuerdebatte. Der Vorschlag der Grünen sieht beispielsweise vor, daß Energieverbrauch teurer, Arbeit dafür billiger wird. Auf diese Weise könnte die Arbeitslosigkeit verringert und könnten die staatlichen Ausgaben für die über vier Millionen Jobsuchenden gemindert werden.

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