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Diplomiert zum Freisein

■ Der diesjährige Jahrgang der HfbK-Diplom-Künstler stellt aus

Im Eingang zu Halle K 3 meint man, der Frühling sei ausgebrochen: Manfred Kroboth hat den tristen Schlauch mit einer zwitschernden Toninstallation zu einem erfreulichen Auftakt für die Ausstellung der diesjährigen Kunsthochschuldiplomanden gemacht. Das Studium der Freien Kunst an der HfbK mit Diplom abzuschließen ist nicht Pflicht, doch obwohl das Wort Diplom-Künstler einen etwas seltsamen Klang hat, haben sich dieses Jahr 26 Studenten der Prüfung gestellt, 20 von ihnen anschließend ihre Arbeit auf Kampnagel präsentiert. Fachbereichssprecher KP Brehmer dankte in der Eröffnungsrede am Dienstagabend den Studenten, „daß sie es durchgehalten haben“, und man darf ergänzen, auf eine „freie“ Künstlerexistenz werden noch viele weitere Zumutungen warten. Trotzdem wäre es zu oberflächlich, in der Wand von Betonnischen von Manfred Michl statt formaler Kriterien und Anklänge an die Grabkultur nur einen Hinweis auf die soziale Nischenexistenz des Künstlers zu entdecken oder die zerbrochene, aberwitzig wieder zusammengefügte Leiter als Kommentar zu den Chancen der Künstlerin zu sehen.

Warum sich Wolfgang Schindler mit den britischen Getreidekreisen befaßt, ist kaum einzusehen. Ein anderer Schüler von Franz Erhard Walther, Ali Hashemi überzeugt dagegen mit stiller Konsequenz: In mühsamer Kleinarbeit hat er Fotos von Mülltüten trocken abgeschliffen und so scheinbar konkrete Farbflächenkombinationen mit komplexer Vorgeschichte erzeugt. Eine weitere Übertragung sind die in ein anderes Material abgespiegelten Buchseiten: einzelne Begriffe aus einem Gespräch zwischen F.E. Wather und Hans Joachim Lenger sind analog zur Publikation in Balsaholzplättchen eingestanzt.

Nur selten ist es heute noch möglich, ästhetisches Neuland zu beschreiten, doch Daniel Hausig ist dies mit der Befassung mit dem Thema Solarstrom gelungen. Er sieht dort nicht nur eine Energiequelle, sondern ein „autarkes System für selbstbestimmtes Handeln“, das er für die künstlerische Betrachtung öffnen möchte. Auffällig viele Ordnungssysteme, Sammlungen und scheinbar sozial nützliche Konzepte sind zu entdecken. Selbst Christian Saehrend umgibt seine plakativ-satirische Malerei mit dem Rahmen eines Systems: Er publiziert sich anscheinend retrospektiv und nicht minder ironisch als bereits Kunstgeschichte gewordenes Mitglied der Berliner Gruppe „Neue Anständigkeit“.

Welche Rolle vermag Kunst in der durchmedialisierten Welt zu spielen? Astrid Herrmann zeigt bräunliche, alt gerahmte Landschaftsfotos, denen das Fernseh- raster erst aus der Nähe anzusehen ist und hat ihr eigenes Tagebuch im Heft TELEVITA als perfekt imitiertes TV-Programm samt Sternchensystem inszeniert. Eine sammelwürdige Arbeit: schon am Eröffnungsabend mußte die Künstlerin das Heft aus der Tasche einer Besucherin zurückerobern.

Hajo Schiff

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