: Die Bremer Kinotaz... ...alle Filme, alle Termine
A
12 Monkeys USA 1995, R: Terry Gilliam, D: Bruce Willis, Madeleine Stowe, Brad Pitt
Plötzlich kommt ein riesiger Fuß aus dem Himmel und zertritt alles auf der Erde. Dies ist die Schlüsselsequenz des Regisseurs Terry Gilliam, der sie in seinen Zeichentrickfilmen für „Monty Python's Flying Circus“ immer wieder animierte und auch seine Spielfilme nach dem gleichen Prinzip aufbaut. In seinem neuen Film ist sein Fuß aus den Wolken so groß wie noch nie vorher: Er vernichtet gleich 5 Milliarden Menschen, die im Jahre 1996 von einer Viren-Katastrophe dahingerafft werden. Im Jahr 2035 vegetieren die wenigen Überlebenden in einem ewig dunklen Unterwelt-System, und der Häftling James Cole wird mit einer klapprigen Zeitmaschine in die Vergangenheit geschickt, um dort den Ursprung der Apokalypse zum untersuchen. Wer Bruce Willis bisher nur für einen tumben Star des Actionkinos gehalten hat, wird hier eine Überraschung erleben, denn Willis spielt den Zeitreisenden als eine gequälte, verlorene Kreatur mit einer Verletzlichkeit, durch die der Film weit mehr ist als nur ein raffiniert angelegtes Gedankenspiel wird. Gilliam schlägt hier so viele irrsinnige Haken, daß man bis zur letzten Szene nie genau weiß, was man da eigentlich ansieht: einen Fiebertraum, ein Menetekel oder einen futuristischen Thriller? (hip) Schauburg, UT-Kino
B
Braveheart USA 1995, R: Mel Gibson, D: Mel Gibson, Sophie Marceau
„Gibsons brillante Idee ist es, die epischen Qualitäten des Stoffes voll auszuspielen (tragische Romanze, übermenschlicher Heldenmut, verschwenderische Aufnahmen und tausende von Statisten) und all dem einen schwungvollen, zeitgenössischen Kick zu geben. So ist „Braveheart“ auch ein explosiver Actionfilm. Man sollte ihn gar nicht erst mit dem farblosen „Rob Roy“ vergleichen, sondern mit „Stirb Langsam“. (New York Times) Ufa-Stern
C
Casino USA 1995, R: Martin Scorsese, D: Robert De Niro, Sharon Stone
"Casino“ ist Martin Scorseses 17. Film und - vielleicht mit der Ausnahme von „After Hours“ - sein Uninteressantester. In diesem Film kehrt der Regisseur wieder in die Welt der Mafia zurück, die er schon so fesselnd in „Mean Street“ und „Good-Fellas“ beschrieben hat. Aber es scheint so, als wäre Scorsese nun einmal zu oft zum Brunnen gegangen. Während er die mit viel Gewalt angefüllte Geschichte von zwei guten Freunden und der Frau, die sie auseinanderbringt, erzählt, hat Scorsese offenbar keine neue Einsichten in die amoralische Lebensweise seiner Protagonisten gefunden. Ja, die Inszenierung ist packend und virtuos, wie fast immer bei Scorsese, aber statt die Themen des Films expressiv zu verschmelzen, lenkt sein cineastisches Feuerwerk uns hier nur von dem Vakuum ab, das sich im Kern des Films auftut. Dies ist ein leerer, langatmiger Film, ein enttäuschender Neuaufguß seiner brillanten früheren Arbeiten.“ (Worldpremiere) City, UFA-Palast
Copykill USA 1995, R: Jon Amiel, D: Sigourney Weaver, Holly Hunter
„Ihre Spannung bezieht die raffiniert angelegte Story aus einem Katz- und Maus-Spiel, in das der Zuschauer gnadenlos hineingezogen wird. Die Greueltaten bleiben glücklicherweise weitgehend der Phantasie der Zuschauer überlassen. Daß darüber hinaus mit Sigourney Weaver und Holly Hunter zwei starke Frauen die Hauptrollen spielen, ist ein weiterer Pluspunkt dieses Psychothrillers. „Copykill“ kann es in mancher Hinsicht mit dem „Schweigen der Lämmer“ aufnehmen.“ (TV-Spielfilm)Ufa-Stern, Lindenhof-Lichtspiele (Wildeshausen)
D
Dangerous Minds – Wilde Gedanken USA 1995, R: John Smith, D: Michelle Pfeiffer u.a.
„Der Club der toten Dichter“ im Ghettoland. Diese Expedition in den „Blackboard Jungle“ ist peinlichst politisch korrekt und wäre nicht viel mehr als gut gemeint, wenn Michelle Pfeiffer in der Rolle der tapferen Lehrerin nicht so umwerfend wäre.“ (hip) City
Die Dreigroschenoper Deutschland/USA 1931, R: G.W. Pabst, D: Rudolf Forster, Reinhold Schünzel
Im Vergleich mit den großen Stummfilmerfolgen von Pabst wie „Die freudlose Gasse“ oder „Die Büchse der Pandora“ ist seine „Dreigroschenoper“ eher enttäuschend. Hier gibt es keine Asta Nilsen oder Louise Brooks, die den Regisseur zu Bilderräuschen inspirierten, sondern einen Bühnenhit, der, handwerklich solide inszeniert, auch an der Kinokasse gutes Geld bringen sollte. Aber als Dokument ist dieser Film einmalig. (hip) Kino 46
E
Ein Schweinchen namens Babe USA 1995, R: Chris Noonan, D: James Cromwell, Magda Szubanski
„Das muß man erstmal auf die Beine stellen: Sprechende Tiere in einem Spielfilm, und das als Unterhaltungsstück für alle von 8 bis 80. Chris Noonan setzte diese unverfrorene Viecherei beschwingt und schweinisch gut in Szene.“ (Bremer) Schauburg, UT-Kinocenter, Ufa-Palast, Lindenhof-Lichtspiele (Wildeshausen)
Der Engländer, der auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunterkam Großbritannien 1995, R: C. Monger, D: Hugh Grant, u.a.
„Dieser Film hat etwas, das man ansonsten eher Menschen zuschreibt: innere Werte. Hugh Grant zieht mit seinem hilflosen Kleinjungendackelblick, dem linkischen Achselzucken und dem spitzbübisch grübchenbildenden Lächeln seine zwischenzeitlich hinlänglich strapazierten Register als richtiger Mann am falschen Ort, den man liebzuhaben hat.“ (epd-Film) Ufa-Stern, Lindenhof-Lichtspiele (Wildeshausen)
F
Familienfest und andere Schwierigkeiten USA 1995, R: Jodie Foster, D: Holly Hunter, Anne Bancroft
„Diese ist ein Frontbericht vom Zusammenprall unterschiedlicher Charaktere. Man muß sich ja nicht mögen, schließlich ist man miteinander verwandt. Der eine oder andere bittere Moment der Wahrheit kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß Jodie Foster im Grunde eine Hymne an Nestwärme und Familienwerte gelungen ist, die mit einem Schuß Sentimentalität menschliche Schwächen beobachtet, ohne diese bloßzustellen.“ (D. Lackner) Schauburg und UT-Kino
Four Rooms USA 1995, R: Quentin Tarantino, Robert Rodriguez, Alexandre Rockwell, Allison Anders, D: Tim Roth, Jennifer Beals, Antonio Banderas
„Ort und Zeit sowie eine durchgehende Figur halten die vier Geschichten zusammen: Silvesternacht in einem Hotel in Los Angeles, das seine besten Tage schon hinter sich hat. Geradezu unerträglich wird er durch das Spiel von Tim Roth als Page, der wie eine Mischung aus Jim Carrey und Daffy Duck agiert. Den vier Filmemachern mag eine überdrehte Komödie vorgeschwebt haben; aber dafür hätte es bedeutend originellerer Geschichten bedurft. (tip) Atelier
Free Willy II USA 19995, R: Dwight Little, D: Jason James Richter
„Während „Free Willy“ ein Überraschungshit des Jahres 1993 war, verspricht die Fortsetzung nur ein Erfolg für Leute zu werden, die gerne im Kino schlafen. Dabei haben die Filmemacher extra eine Reihe von Moby-Muppets entwickelt, die Willys freilebende Familie darstellen sollen. Dennoch wirkt „Free Willy II“ bläßlich, wie „Flipper“ mit Plaktonausschlag.“ (Worldpremiere) Kino 46
G
Goldrausch USA 1925, R: Charles Chaplin, D: Charlie Chaplin /Stummfilm mit live gespielter Klavierbegleitung
„Er tritt auf, „verfolgt von einem Bär“ - der Mann, der für Generationen von Kinogängern die Verkörperung des „kleinen Mannes“ war. In dieser außergewöhnlich süßen und bezaubernden Komödie ist Chaplin ein schwacher und hilfloser Gentleman in der Klondike-Welt der Bären und Grobiane. Aber durch seine Ritterlichkeit bekommt am Schluß er das Gold und das Mädchen noch dazu. 1958 wählte eine internationale Jury in Brüssel diesen Film zum zweitbesten aller Zeiten (nach „Potemkin).“ (Pauline Kael) Kino 46
H
Happy Weekend Deutschland 1996, R: Ed Herzog, D: Erik Goertz, Anton Rattinger
„Regiedebütant Herzog beleuchtet in seinem Lustspiel das Berufs- und Privatleben des polygamen Polizisten Joachim Krippo, eines jungen Mannes, der Sex bevorzugt mit Pärchen praktiziert. Durch seinen leicht abnorm veranlagten Kollegen Horst, einen Hundeliebhaber mit Faible für Latexunterwäsche, wird Krippo in komische kriminelle und sexuelle Abenteuer verstrickt, wobei er eine zunehmende Aversion gegen Gummi-Erotik entwickelt.“ (tip) Ufa-Stern
Heat USA 1995, R: Michael Mann, D: Robert De Niro, Al Pacino
„Clever war es, „Heat“ tatsächlich als Tragödie zu inszenieren. Michael Manns Film ist das klassische Drama zweier ewig zweifelnder, fatalistischer Männer, eingebettet in einen effizient und spannend gedrehten Thriller. Die Geschichte zweier tragischer Helden, die in dem festen Glauben, die Welt würde nach den von ihnen entworfenen Regeln funktionieren, Sympathieträger und Loser zugleich sind. Zum Schluß möchte man niemanden sterben sehen, so sehr sind die Grenzen zwischen Gut und Böse ambivalent geworden, ist das Scheitern im Menschlichen in den Vordergrund gerückt. Ein großer Film.“ (taz) , Schauburg, UT-Kinocenter, Ufa-Palast
Hera Linds - Das Superweib Deutschland 1995, R: Sönke Wortmann, D: Veronica Ferres, Joachim Krol
„Ein Bestsellerautor, ein Erfolgsregisseur, eine bewährte Besetzung, ein dynamischer Produzent: Was soll da schiefgehen ? Hera Linds Erfolgsroman „Das Superweib“ lieferte Sönke Wortmann und Produzent Bernd Eichinger die Vorlage für die Komödie um Franziska, die durch Zufall zur Bestsellerautorin wird. Wortmann ist sicher einer der talentiertesten deutschen Komödienmacher. Das merkt man auch dem Film an, obwohl alles ein bißchen nach Routine riecht.“ (TV-Spielfilm) UT-Kinocenter, Ufa-Palast
Der Himmel über der Wüste Großbritannien/USA 1990, R: Bernardo Bertolucci, D: John Malkovich, Debra Winger
„„Der Himmel über der Wüste“ handelt nicht von der Faszination des Fremden, sondern schwelgt selbst quasi bewußtlos im Exotischen. Bertolucci hat Paul Bowles Roman verfilmt und will wie dieser die ganz großen Themen verhandeln - Liebe und Tod, mindestens - aber die Tragik bleibt bloße Behauptung und die Spannung reduziert auf Landschaftsbilder. Afrika, der dunkle Kontinent: Bertolucci macht daraus einen Reiseprospekt.“ (taz) Kino 46
J
Jumanji USA 1995, R: Joe Johnston, D: Robin Williams, Bonnie Hunt, Kirsten Dunst und die Drolly Dinos
„Viel Trick-Getöse in einer netten Story ohne Tiefgang.“ (Prinz) UT-Kino, Ufa-Palast
K
Konferenz der Tiere Deutschland 1969, R: Curt Linda
„Der Menschenkinder wegen beschließen die Tiere auf einer dazu einberufenen Konferenz Maßnahmen zum Schutz des Friedens und der Menschlichkeit, und zwingen die Erwachsene, diese Vorschläge zu verwirklichen. Zeichentrickfilm nach Erich Kästner, phantaisevoll animiert und musikalisch gut arrangiert.“ (Rowohlt Filmlexikon) Gondel
L
Leni Deutschland 1993, R: Leo Hiemer, D: Hannes Thanheiser, Christa Berndl
Allgäu 1938. Eine wahre Geschichte. Und traurig. Inmitten wortkarger Rituale und saftiger Wiesen wächst die Leni auf. Die jüdische Mutter überließ das Baby der Fürsorge frommer Schwestern, die gaben es den Eibeles zur Pflege. Leo Hiemer vermeidet es dankenswerterweise, süßliche Bilder der süßen kleinen Leni aneinanderzureihen, nach der alten Kino-Weisheit, Tiere und kleine Kinder gehen immer. Klug auch, wie er der Gefahr papierender Dialoge entrinnt, indem er den Leuten einfach Redensarten in den Mund legt, nachdem er ihnen aufs Maul geschaut hat. Auch als der Bürgermeister - die Nürnberger Gesetze sind seit drei Jahren in Kraft - die Jüdin Leni den Eibeles wegnehmen will, wird im Dorf keiner konkret. Vom Heim kommt sie nach Auschwitz. Das sagt bloß einer, der neue Lehrer Blatzer. Ein Sozi mit dem Drang, Gutes zu tun. Da wird Leo Hiemers Film leider plötzlich schwarz-weiß, gewissermaßen. Denn so unvermittelt und unmotiviert sich der Blatzer für die Leni ins Zeug legt, so holzschnittartig-karikatural agiert der 150prozentige Nazi und Bürgermeister. Und der Herr Pfarrer muß sich, so will es das Klischee, aufs philisterhafteste gebärden. (Mu) Atlantis
M
Männerpension Deutschland 1995, R: Detlev Buck, D: Detlev Buck, Til Schweiger, Heike Makatsch
„Männerpension zeugt davon, daß Buck auch anders kann. Er hat dazugelernt, ist mutiger geworden. Tauchten die guten alten Kinoklischees in seinen bisherigen Filmen allenfalls als närrische Parodien auf, so spielt er diesmal souverän damit, traut sich was. Zwecks Resozialisierung wird eine Gruppe von Knackis der Obhut alleinstehender Frauen überlassen. Das ist der Auftakt zu gleich zwei leidenschaftlichen Liebesgeschichten - die eine knistert von Erotik, die andere ist mehr was fürs Herz.“ (tip) Cinema, City
Mutters Courage Deutschland/Großbritannien 1995, R: Michael Verhoeven, D: George Tabori, Pauline Collins
„Wenn dieser Regisseur nur nicht soviel Angst vor Mutters Courage hätte, die die Courage und die Rettung einer einzelnen ist. Ganz allein steht Pauline Collings als Elsa Tabori 1944 in Budapest wieder auf dem Bahnhof. Und dann läßt Verhoeven sie mit ihrem Judenstern über den heutigen Kurfürstendamm zum Hause ihrer Schwester laufen – Antifa-vollkompatibel und pädagogisch wertvoll, und den Bayerischen Filmpreis hat es auch schon gebracht. “ (taz) Atelier
N
Nelly & Monsieur Arnaud Frankreich 1995, R: Claude Sautet, D: Emmanuelle Beart, Michel Serrault
„So schön wie die Menschen und so gediegen wie ihre Wohnungen sind auch Sautets Bilder, die Kamera ist ruhig und hoheitsvoll. Alles unter Kontrolle in dieser schönen Welt voller Bilder und Bücher. Einziges und großes Vergnügen in der geballten Bildungsbürgerlichkeit ist Michel Serrault, während Emmanuelle Beart die ganze Zeit aussieht, als wolle sie sich jeden Augenblick die Nägel lackieren.“ (tip) Atlantis, Modernes
Niki de St. Phalle Deutschland 1994, R: Peter Schamoni, D: Niki de Saint Phalle, Jean Tinguely
Die französisch-amerikanische Künstlerin Niki de Saint Phalle erzählt von ihrem Leben, ihrem Werk und der Zusammenarbeit mit ihrem 1991 verstorbenen Ehemann, dem Kinetikkünstler Jean Tinguely. Cinema
Nixon USA 1995, R: Oliver Stone, D: Anthony Hopkins
„Virtuos auch die Montage von Spiel und Dokumentation bei Nixons Unterredungen mit den Großen dieser Welt, allen voran mit dem Vorsitzenden Mao. Aber selbst hier, wo Geschichte auf der Schichtl-Bühne abgehandelt wird, gönnt Stone uns kein bißchen ironische Distanz. Er packt uns bei unseren voyeuristischen Bedürfnissen, dem übermächtigen Verlangen, durchs Schlüsselloch zu gucken, wenn die Staatenlenker Schicksal spielen. Seine Montagetechnik zielt auf Suggestion. Befreiendes Gelächter ist nicht vorgesehen.“ (taz) City
O
Operation: Broken Arrow USA 1996, R: John Woo, D: John Travolta
„Operation: Broken Arrow“ ist fabelhaft rasant inszeniert, aber wie eine Komödie von Pointe zu Pointe: Es ist, als hätte Woo seinen ganzen Virtuosen-Ehrgeiz daran gesetzt, ein Feuerwerk von Oberflächenreizen zu entzünden, eine bedeutungsfreie Montage-Choreographie des Kampfes. Doch diesmal ist der Schurke der Star, und das ist John Travolta. Seine Kunst, eine Figur ganz unpsychologisch und insofern altmodisch von außen her auf einer handvoll scharfer Manierismen aufzubauen, ist wieder einmal unwiderstehlich; und warum er trotzdem nie einen Oscar kriegt, weiß ja jeder.“ (Der Spiegel) UT-Kinocenter
Othello USA 1995, R: Oliver Parker, D: Laurence Fishburne, Kenneth Branagh
„Mit Laurence Fishburne hat Parker einen wirkliche „Mohren“ als Othello, der den kampferprobten General, gerade auch als erotisches Faszinosum für die junge Desdemona zu verkörpern vermag. So wird das Paar in seiner provokanten Erotik deutlich, und deutlicher wird damit auch der rassistisch-schrille Haß Jagos (großartig Kenneth Branagh). Merkwürdiges Paradox: Loncraines „Richard III“, der in Anbiederung an Actionkino-Elemente besonders „filmisch“ sein will, ist tatsächlich „theatralisch“, während Parkers „Othello“ in seiner größeren Treue zu den Vorgaben des Stücks und dessen Sprache der „filmischere“ Film ist.“ (epd-Film) Schauburg
P
Peanuts - die Bank zahlt alles Deutschland 1995, R: Carlo Rola, D: Ulrich Mühe, Iris Berben, Rüdiger Vogler
„Der Vorspann bringt es auf den Punkt: „Ähnlichkeiten mit lebenden, flüchtigen oder einsitzenden Personen sind rein zufällig, aber unvermeidbar.“ Daß hinter der Figur des glücklosen Bauunternehmners Jochen Schuster der betrügerische Immobilienspekulant Jürgen Schneider steckt, wird nicht sofort klar. Und rein optisch ähnelt der vorzügliche und immer noch unterschätzte Ulrich Mühe eher dem Ex-Bayern-Coach Dettmar Cramer als jenem Schneider. Ohne sehr zu übertreiben: “Schtonk!“ hat in Carlo Rolas Satire einen würdigen Nachfolger gefunden. Denn zum Glück ist den Drehbuchautoren Peter Zingler und Eberhard Junkersdorf der gefährliche Balanceakt zwischen scharfem Witz und schenkelklopfender Plumpheit gelungen.“ (V. Bleek) UFA-Stern
Pippi außer Rand und Band Deutschland/Schweden 1970, R: Olle Hellbom, D: Inger Nilson
Der vierte Film der Serie mit der frechen Superheldin von Astrid Lindgren, die mit dieser Figur vielleicht mehr für die antiautoritäre Erziehung erreicht hat als all die Kindergruppen in den 60ern zusammengenommen. Atlantis
Pocahontas USA 1995, R: Mike Gabriel, Eric Goldberg
„Pocahontas ist so politisch korrekt wie Müsli-Kekse. Seine indianische Heldin ist groß, muskulös und anmutig, kann durch Stromschnellen steuern und hat ein Gesicht, bei dem die Zeichner peinlich genau jeden karikaturistischen Ansatz vermieden haben.“ (Sight and Sound) City, Schauburg
R
Rennschwein Rudi Rüssel Deutschland 1994, R: Peter Timm, D: Ulrich Mühe, Iris Berben, Karl Liefen
„Zuppi Gützkow, ganze neun Jahre alt, gewinnt den Hauptpreis auf dem Feuerwehrfest: ein quitschfideles Ferkel. Rudi Rüssel, wie die Kinder den rosa Vierbeiner getauft haben, ist schließlich der Grund dafür, daß die Familie ihre Wohnung verliert. Aber natürlich wäre dies keine Familienkomödie, wenn sich nicht alles in rosa Wohlgefallen auflösen würde. Regisseur Peter Timm (Go, Trabi, Go) gelingt erneut das Kunststück, banale Witze zu reißen, ohne dabei peinlich klamaukig zu sein.“ (TV-Spielfilm) UFA-Palast
Richard III Großbritannien 1995, R: Richard Loncraine, D: Ian McKellen, Annette Benning, Robert Downey Jr.
„An die vier Stunden braucht ein halbwegs solider Theaterregisseur, um Aufstieg und Fall von Shakespeares fiesestem Finsterling auf der Bühne nachzuerzählen. Der Brite Richard Loncraine schafft es in seiner arg gerafften Kino-Verson in 104 Minuten. Er verlegt den Rosenkrieg in die dekadenten dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts. Richard meuchelt als buckliger Beau von abgefeimter Eleganz. Nachdem er die störende Verwandtschaft aus dem Wege gemordet hat, mausert sich der clevere König in dieser bemerkenswert konsequenten Leinwandfassung zum Fascho-Diktator mit Standarten-Parade und Schwarzhemd-Bataillonen." (Der Spiegel) Gondel
S
Schnappt Shorty USA 1995, R: Barry Sonnenfeld, D: John Travolta, Gene Hackmann
„Wenn Sie wissen wollen, wer dieser Chili Palmer ist, dann hat er selber für Sie eine gute Antwort: Ich bin der, der Ihnen sagt, was abläuft!“ Damit ist nicht nur der Romanheld von Elmore Leonards „Get Shorty“ beschrieben, den John Travolta hier mit sanfter Perfektion spielt, sondern auch Leonard selbst. Der sarkastische Grundton des Schriftstellers geht leider in den meisten Filmen, die auf seinen Büchern basieren, verloren, aber Barry Sonnenfelds Film fängt seine souveräne Lakonie schön ein. Und weil „Schnappt Shorty“ auch von Hollywood erzählt, paßt hier auch ideal sein etwas hinterhältiger Spott, der dem Film seinen komischen Schwung gibt. Der Witz dabei ist, daß Chili ein eingefleischter Cineast ist und es liebt, von den Gangsterfilmen zu erzählen, die ihm so gefallen. „Schnappt Shorty“ gehört mit auf seine Liste.“ (New York Times) Ufa-Palast, UT-Kinocenter
Die Schwanenprinzessin USA 1994, R: Richie Rich
„ Bei der Erzählung einer fantastischen Liebesgeschichte von der verzauberten Prinzessin, die nur von dem geliebten Prinzen befreit werden kann, wagt er sich bis an die Grenze des guten Geschmacks vor. Das Ergebnis dieser gekonnten Gratwanderung ist ein rührendes Märchen mit allem, was dazugehört.“ (tip) UT-Kinocenter
Sinn und Sinnlichkeit England 1995, R: Ang Lee, D: Emma Thompson, Hugh Grant u.a.
Was der taiwanesische Regisseur Ang Lee aus dem britischen Klassiker von Jane Austen gemacht hat, ist bewunderswert. Statt aus der episch breiten Story um die Dashwood-Schwestern und ihrem Liebeswerben eine flache Ausstattungs-Orgie a la Merchant Ivory zu machen, hat Ang Lee so viel Laura Ashley-Atmosphäre wie nötig und so viel ironische Distanz wie möglich in seinen Film gesteckt. Wobei Emma Thompson als verstandesgeleitete Elinor um Hugh Grant (von Ang Lee am Herumkaspern wirksam gehindert) wirbt und ihre Schwester Marianne (Kate Winslet) sich Hals über Kopf in einen nicht ganz ehrenhaften Beau verliebt. Bloß mit dem Titel hatte der Verleih seine Schwierigkeiten: Jane Austens Roman ist im Deutschen als „Verstand und Gefühl“ zu haben, der Film wollte auf die Alliteration nicht verzichten. „Sinn und Sinnlichkeit“ bekam den Goldenen Bären 1996. (Mu) Europa, Casablanca (OL)
Die Stadt der verlorenen Kinder Frankreich/Spanien/Deutschland 1995, R: Jean-Pierre Jeunet, Marc Caro, D: Ron Perlman, Daniel Emilfork
„In einer namenlosen Stadt, die ihrer eigenen Kanalisation ähnelt, werden immer wieder Kinder geraubt. Die Entführer bringen sie zu einer Plattform auf dem offenen Meer, dort haust Krank, ein psychisch-mißgestalteter Homunkulus, der versucht, seine innere Leere zu füllen und den überschnellen Alterungsprozeß zu stoppen, indem er den gefangenen Kindern die Träume aussaugt. Meist mehr als in „Delikatessen“ wird Tricktechnik als Selbstzweck zelebriert: die überbordende Phantasie läßt eine zu wenig durchdachte Geschichte zerfasern; so treten auf der einen Seite Längen auf, während andererseits die Funktionen verschiedener Figuren unklar bleibt.“ (Zoom) Gondel
Stadtgespräch Deutschland 1995, R: Rainer Kaufmann, D: Katja Riemann, Kai Wiesinger
„Kaufmanns Komödie der Irrungen und Wirrungen versucht es auf die todsichere Tour: ein bißchen Riemann, ein bißchen Wiesinger, eine Prise Singlefrust, etwas schwule Romantik und ein paar krachende Pointen. Obwohl das Rezept nicht ganz aufging, kann der Film dennoch munden.“ (tip) Ufa-Stern
T
Tatis Schützenfest Frankreich 1947, R: Jaques Tati, D: Jaques Tati
Tati dreht seinen ersten langen Spielfilm mit zwei Kameras: die eine belichtete den Film in einem obskuren Farbverfahren namens Thomson-color und erst im letzten Jahr gelang es, diese Filmrollen auch zu entwickeln. Nun kämpft Tati als rasender Briefträger eines idylischen Dorfes mit den Windmühlen der „Rapidite“ nicht mehr in Schwarzweiß sondern in Rotgrün. Aber auch wenn man von den Farben eher enttäuscht ist, gibt die Neuaufführung die willkommmene Gelegenheit, eine der gelungensten Filmkomödien aller Zeiten wieder auf der Leinwand zu sehen. Spätestens wenn Tati zum ersten Mal mit seinem Fahrrad in die Kneipe brettert, hat man vor lauter Lachen keine Zeit mehr, auf die grünen Häuser und roten Kühe zu achten. (hip) Gondel
Toy Story USA 1995, R: John Lasseter
Wenn man gerade nicht hinkuckt, erwachen die Spielsachen zum Leben. Das weiß jedes Kind und in dem neuen Film der Disney Studios sind es die Spielsachen des siebenjährigen Andy, die sich plötzlich bewegen können: der Cowbow Woody, ein neurotischer Plastiksaurier, ein naseweises Sparschwein und Mr. Potato Head, dessen einzelne Plastik-Körperteile in verwegenen Variationen auf dem Kartoffelkopf festgesteckt werden. Ärger im Kinderzimmer gibt es durch Andys neues Geburtstagsgeschenk, den Space-Ranger Buzz Lightyear, der nicht nur so modern und schick ist, daß Andy jetzt am liebsten mit ihm spielt, sondern auch so blöde, daß er nicht einmal weiß, daß er ein Spielzeug ist. Von der Machart her ist „Toy Story“ mit keinem anderen Disneyprodukt zu vergleichen, denn diese ist der erste vollständig im Computer animierte Spielfilm. Das Ergebniss ist verblüffend, denn die Filmfiguren bewegen sich so natürlich, dreidimensional und differenziert, wie es im Trickfilm bisher unmöglich war. (hip) UFA-Palast, UT-Kinocenter
U
Die üblichen Verdächtigen USA 1995, R: Bryan Singer, D: Gabriel Byrne, Stephen Baldwin, Chazz Palminteri
In jedem guten Thriller werden falsche Spuren gelegt, aber Regisseur Singer tut dies hier so radikal wie kaum jemand vor ihm. Ein Film muß schon verteufelt gut sein, damit das Publikum so etwas schluckt und beim tiefschwarzen Finale von „Die üblichen Verdächtigen“ ist man nicht enttäuscht, sondern völlig verblüfft. (hip) Modernes, Muwi-Filmkunst (OL)
V
Verhängnis/Fate Deutschland 1994, R: Fred Keleman, D: Sanja Spengler, Valerij Fedorenko
„Wir entern das, was Kelemen unter Berlin versteht, durch die Augen einer Art Überwachungskamera - grobkörnig bis an die Auflösungsgrenze. Das geht so eine Weile, in Filmzeiten lang genug, um das Attribut „dokumentarisch“ hervorzulocken, das unfehlbar auf Handlungsarmut und Handkameragebrauch folgt. Was so unangenehm berührt, ist dieser Zug zum Höheren, der seinem eigenen Stoff nicht über den Weg traut. Es heideggert mächtig, wenn die Protagonisten von Kemelens „Verhängnis/Fate“ sämtlich verschiedene Sprachen sprechen.“ (taz) Kino 46
W
Wallace & Gromit – Unter Schafen Großbritannien 1995, R: Nick Park u.a. / der 2. Teil der Aardman Colection / Originalfassung ohne Untertitel
„Mein schönstes Kinoabenteuer in dieser Woche war die halbe Stunde, in der ich Nick Parks neustes Knet-Epos „A Close Shave“ angesehen habe, ein neues Abenteuer von Wallace, dem Erfinder aus Lancashire und seinem immer mitleidenden Hund Gromit. Es gibt da eine fantastische Straßenjagd, bei der Gromits Beiwagen sich vom Motorrad von Wallace ablöst und in ein Kampfflugzeug verwandelt; ein boshaftes Lamm, daß wie der Pinguin in „The Wrong Trousers“ agiert und ein Puzzle, das in Gromits Zelle geliefert wird und, nachdem es zusammengesetzt wird, die Botschaft über die Flucht enthält. Als eine bemerkenswerte Mischung aus Kindlichem und Raffiniertem ist der Film in jeder Minute überraschend und originell.“ (Philip French, The Observer) Cinema, Filmstudio und Casablanca (OL), Apollo (WHV)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen