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SanssouciNachschlag

■ Horst Hussel und Bert Papenfuß in der LiteraturWERKstatt

Horst Hussel: Das Gespräch

Richard Pietraß, vor 20 Jahren Lektor beim Ostberliner Verlag Neues Leben, fand eines Tages drei Mappen mit Gedichten des Lyrikers Papenfuß auf dem Tisch seines Chefs vor. Der Chef kehrte von einer Lesereise in die Schweiz nicht zurück, und so kümmerte sich Pietraß um den jungen Dichter. Schon einige Jahre zuvor lernte Pietraß auf der Suche nach einem Graphiker, der Plakatentwürfe zu Gedichten fertigen soll, Horst Hussel kennen. Der Graphiker und Buchillustrator Hussel, Jahrgang 1934, war im Osten ein Geheimtip. Daß er auch selbst schreibt, ist weniger bekannt. Am Dienstag lasen Papenfuß und Hussel gemeinsam in der LiteraturWERKstatt, und Pietraß moderierte.

Berührungspunkte waren schnell gefunden, so eine gemeinsame Affinität zum Militär. Hussel wollte stets Offizier werden, ein „radierender Rittmeister“, da man als Zivilist nicht ernst genommen werde. Ein Gedankenspiel, das dem Luxus entspringt, nie in näheren Kontakt mit dem Militär gekommen zu sein. Der Generalssohn Papenfuß hingegen ist nur deswegen der Kadettenschule entkommen, weil diese in der DDR kurz vor seiner Aufnahme abgeschafft wurden. Überdies verbindet Papenfuß und Hussel das Interesse für Geschichte und Theorie des Geldes. Hussel ist Verfasser einer pseudo-authentischen „Kurzgefassten Geschichte der Räterepublik Mekelenburg unter besonderer Berücksichtigung des Währungssystems“, Papenfuß Mitinitiator der Knochengeldaktion im Prenzlauer Berg. Bei der Lesung ihrer Texte wurden jedoch schnell Unterschiede deutlich. Bei aller gemeinsamen Vorliebe für Abgelegenes bleibt Hussel sowohl in seinen graphischen Arbeiten wie auch in seinen Texten beim Detail, bei der konkreten Situation, die er bis ins kleinste ausführt. Papenfuß dagegen benutzt die Sprache konsequent als „Abenteuerspielplatz“, wie es Adolf Endler einmal gesagt hat. Sprunghaft werden Versatzstücke verschütteter Bildung zum Text montiert, nordische Gottheiten oder das Muspili des Klangs wegen zitiert. Die Mixtur aus biographischer Erkundung und Lesung hat den Abend kurzweilig werden lassen. Ein Hauch von Einigkeit lag über der Runde, als Hussel auf Pietraß' Frage nach Gnade oder Ungnade der Geburt die halbernst gemeinte Antwort gab: „Gegenwart ist immer eine Zumutung.“ Peter Walther

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