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Beherzte Industrieschutzpolitik

■ betr.: „Flehen und Fluchen im grü nen Biotop“ u.a., taz vom 11. 3. 96

Es ist schlicht unverfroren, Politikern vom Typus Clement oder Matthiesen Betonköpfigkeit vorzuwerfen. Ganz im Ernst: Ohne Flugzeug ist Dortmund nun mal schwer zu erreichen. Und gerade im dortigen Ballungsraum fehlen Flugplätze. Das Argument, einer der größten Airports Europas befände sich gleich um die Ecke, das heißt in Düsseldorf, ist absurd. Wer nämlich von dort auf schnellstem Weg nach Dortmund gelangen wollte, müßte tatsächlich – und wem wollte man/frau diese unbillige Härte zumuten? – ein Schienenfahrzeug (IC: 49 min, SE: 56 min) benutzen. [...]

Auch der Hinweis auf einen immerhin vorhandenen Flughafen – wenngleich seine Erweiterung einer rationalen Verkehrspolitik Hohn spräche – geht ins Leere. Nicht Zweckmäßigkeit oder eine ausreichende Größe zählen, sondern allein Wachstum. Die Natur macht's doch genauso: Pflanzen, Tiere, ja sogar Menschen (schaut euch nur die Bäuche regierender Politiker an) wachsen, und zwar bis zum Exitus.

Somit ist es vollkommen natürlich, daß auch Flugplätze, Straßen, Industrien usw. wachsen. Klar, wenn verschiedene Dinge gleichzeitig in einen begrenzten Raum hineinwachsen wollen, dann müssen sie eben, wie es sich in einer Marktwirtschaft gehört, um die Wette wachsen. Wer nicht schnell genug wächst, wird verdrängt, wer übrigbleibt, hat automatisch recht. Damit nun Flughäfen und ähnliche Errungenschaften nicht ins Hintertreffen geraten, am Ende gar von Schlingpflanzen oder Dornröschenhecken überwuchert werden, bedarf es einer beherzten Industrieschutzpolitik. Sie zielt darauf, liebgewonnene Relikte einer archaischen Wirtschaftspolitik vor ökologischer und ökonomischer Vernunft zu schützen (wovor auch sonst?). Je steinzeitlicher die ökonomische Begründung des fraglichen Objekts, desto höher ist logischerweise sein Schutzbedarf. Nach genau dieser Maxime verfährt die SPD. Niko Paech, Osnabrück

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