: Kurden durften in Bremen demonstrieren
■ 800 bis 1000 KurdInnen für „Solidarität mit dem kurdischen Volk“ / Gerangel um PKK-Fahne
12. März, Newroz-Tag. Um 17 Uhr sopllte das traditionelle Bremer Neujahrs-Fest beginnen – ein Freudenfeuer auf dem Sand der Weser bei der Fähre Hal Över. 20, 30 Personen standen kurz nach 17 Uhr um den brennenden Holz-Haufen. „Das machen wir jedes Jahr“, sagt einer, „das ist ein Frühlingsfest, es hat eine politische Dimension bekommen wegen der Verbote.“ Auf der anderen Weserseite, beim Ziegenmarkt, sammeln sich um dieselbe Zeit kurdische Demonstranten. „Warum sollten wir demonstrieren“, sagt der Mann am Feuer – die Demonstration sei in Konkurrenz zu dem Fest angesetzt. Das Fest symbolisiere „die Hoffnung auf die Freiheit“.
Aber auf der rechten Weserseite Eite sind erheblich mehr: Mindestens 800 sammeln sich da zum Demonstrationszug. Im vorderen Block viele Frauen in den kurdischen Farben gekleidet, und Kinder. Nur wenige Polizeifahrzeuge eskortieren die Demonstrationszug, eine Vielzahl von „Ordnern“ geht rechts und links der Reihen und geben die Parolen vor. Im zweiten Block, vor dem ein rotes Transparent „Freiheit für die politischen Gefangenen“ getragen wird, sind vor allem Männer. Plötzlich hebt einer die verbotene rot-gelb-grüne PKK-Fahne aus dem Grau und Schwarz der Anzüge heraus und zeigt sie stolz. Arendt Hindriksen, der grüne Bürgerschaftsabgeordnete und Anmelder der Demonstration, zeigt vom Rand mit gerecktem Zeigefinger nach unten, der Kurde nimmt die Fahne herunter.
Dieses Schauspiel ließ sich mehrfach beobachten. Zeitweise hatte sich ein PKK-Fahnenträger mitten unter die Frauen vorn gemischt, dort versuchten auch türkische Ordner, ihn zu bremsen. Aber letztlich ließen sie den Mann gewähren, setzten sich nicht durch. Die Polizei läßt sich von dem Spiel mit dem in der Türkei und auch in Deutschland verbotenen rot-gelb-grünen Stück Stoff nicht provozieren, bis Redaktionsschluß jedenfalls.
„Seit Mitte Dezember dauert der einseitige Waffenstillstand, den die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nun zum zweiten Mal verkündet hat“, steht auf dem Flugblatt der deutschen Organisatoren der Demonstration. Das sei „eine Chance für den Frieden“, von den deutschen Behörden aber würde „jeder Versuch der Kurden, die eigene Situation deutlich zu machen, zu einer Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik umgelogen“. Newroz 1996 sollte ein „erneutes und ernstzunehmendes Gesprächsangebot“ sein, das von der Gegenseite totgeschwiegen würde.
Polizeieinsätze in Hannover und Osnabrück
Während in Bremen die Kurden-Demonstration am Newroz-Tag genehmigt und erlaubt war, hatten die Behörden in Hannover und Osnabrück vergleichbare Veranstaltungen verboten und am Tag des kurdischen Neujahrsfestes Polizeipräsenz demonstriert. Am Mittwoch abend waren in Hannover 250, in Osnabrück rund 30 Menschen vorläufig festgenommen oder in Gewahrsam genommen worden. Sie hatten sich trotz der Demonstrationsverbote in den Innenstädten versammelt.
In Osnabrück ließ die Polizei die Kurden am Abend wieder frei. In Hannover kamen sie am Donnerstag früh nach und nach auf freien Fuß. Ein Richter hatte entschieden, die Betroffenen länger als die im niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz vorgesehenen acht Stunden festzuhalten. Der Grund: Die Polizei verwies auf Hinweise, daß von Kurden für die Nacht Aktionen gegen türkische und deutsche Einrichtungen in Hannover geplant gewesen seien. K.W./dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen