: Megawatt durch Biomasse
■ Schleswig-Holstein geht bei der Energiegewinnung neue Wege und setzt auf die Verbrennung von Holz, Stroh und Gülle Von Marco Carini
„Alle reden vom Wetter – wir sorgen dafür, daß es so bleibt, wie es ist.“ Nachdem Schleswig-Hol-stein bereits bei der Nutzung der Windkraft in der Bundesrepublik eine Vorreiterrolle spielt, will die Landesregierung im Kampf gegen die Klimakatastrophe nun auch verstärkt Wärmeenergie aus der Verbrennung und Vergasung von „Biomassse“ – vor allem Holz, Stroh und Gülle – gewinnen.
Für die von mehreren Ministerien ins Leben gerufene Initiative „Biomasse und Energie“ sollen bis zur Jahrhundertwende staatliche Fördermittel von 13 Millionen Mark durch die schleswig-holsteinische Energiestiftung ausgeschüttet werden, um den Bau von Biokraftwerken zu unterstützen. Ist kurzfristig nur eine Gesamtleistung von 20 Megawatt angepeilt, so ist die von Energieminister Claus Möller anvisierte langfristige Zielvorgabe recht ehrgeizig: Im Jahr 2010 sollen 17,5 Prozent des schleswig-holsteinischen Endenergiebedarfs aus dezentralen Biokraftwerken gedeckt werden.
Die Umsteuerung in der schleswig-holsteinischen Energieversorgung tut not: Denn trotz forciertem Ausbau der Windkraftkapazitäten und Energiesparprogrammen sind sowohl Energieverbrauch wie auch CO2-Ausstoß in Schleswig-Hol-stein in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. Und zur Atomenergie, von der sich Möller & Co. gerne verabschieden wollen, gibt es außer dem Klimakiller Kohle bislang zuwenig Alternativen. Doch zusammen mit dem Einsatz von Wind- und Sonnenkraft könnte im Jahr 2010 – wenn auch die Atommeiler in Stade und Brunsbüttel ihre Pensionsgrenze erreichen – mehr als ein Drittel des in Schleswig-Holstein benötigten Energiebedarfs aus regenerativen Quellen stammen.
Mit der Förderung der Biomasse-Verwertung will Kiel mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Kohle- und Erdöl-Reserven sollen geschont, nachwachsende biologische Reststoffe umweltgerecht entsorgt werden. Zudem will Landwirtschaftsminister Hans Wiesen durch die Biomasse-Nutzung „zusätzliche Einkommensquellen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe“ erschließen und „neue Produktlinien auch für den Export“ hervorbringen.
Mehrere Biomasse-Projekte sind in Schleswig-Holstein bereits im Probelauf oder stehen vor dem Betriebsbeginn: seit Herbst 1995 werden im Blockheizkraftwerk St. Michaelisdonn Gülle und organische Reststoffe verbrannt, die Holzkraftwerke in Schönberg (Kreis Plön) und Stockelsdorf (Kreis Ostholstein) sollen in diesem Herbst den Betrieb aufnehmen. Weitere Biomasse-Projekte sind in Bordesholm, Burg auf Fehmarn, Itzstedt und Lübeck geplant. Die Wärmeerzeugung durch die Verbrennung von Stroh und Holz sei zwar bereits „marktgängig“, aber noch nicht „konkurrenzfähig“, bewertet die Energiestiftung Schleswig-Holstein den heutigen Entwicklungsstand der Reststoff-Verbrennungstechnologie. Genau deshalb seien staatliche Finanzspritzen für Investoren erforderlich.
Zudem arbeiten in Schleswig-Holstein zur Zeit zwei Unternehmen aus dem Kreis Schleswig-Flensburg an der staatlich geförderten Entwicklung einer „Holzvergasungsanlage in Containerbauweise“ – eine Energiegewinnungsform, die sich laut Energiestiftung zur Zeit noch im „Versuchsstadium“ befindet. Doch mit der gezielten Förderung solcher Pilotversuche soll auch hier die Marktreife schnell erreicht werden. Weitere Mittel sollen in die Öffentlichkeitsarbeit für die alternative Energiegewinnung fließen. Denn als Haupt-Hemmnis für den Siegeszug der Biomasse-Nutzung macht die Energiestiftung zur Zeit ein „Informationsdefizit bei Kommunen und Unternehmen“ sowie die „mangelnde Akzeptanz seitens der Anwohner, Energieabnehmer und potentiellen Betreiber“ aus.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen