■ Querspalte: Sag mir, wo der Ire wohnt!
Naturgemäß hat der Ire seinen festen Wohnsitz im nächstgelegenen Pub. Und wenn er, seelenvoll alte Volkslieder singend, reichlich Guinness und Whiskey sich in den Hals gewuchtet hat, nimmt er seine Frau und das Dutzend Blagen, um auszuwandern, weil die nächste Hungerkatastrophe droht. Zwischendurch kämpft er einen noblen Befreiungskampf gegen die englischen Besatzer.
So ist es seit vielen tausend Jahren, nur die deutschen Behörden sind plötzlich irritiert. Im Ordnungsamt und Schulamt hier, im Einwohnermeldeamt und Wasser- und Schiffahrtsamt dort sind die Beamten jäh aus ihrem Jahrhunderte dauernden Schlaf gerissen. Wie? Was heißt hier Klischees? Niemand weiß, wo die Kelly-Familie wohnt. Die Mama, nur soviel ist gewiß, mittlerweile bei Gott, was selbst der nun wieder nicht verdient hat. Und der Rest?
In einem Wohnwagen in Kelbra (Sachsen-Anhalt) fand die Bild-Zeitung zwei Schlafplätze, ein Malbuch und graue Gardinen. Aber sechs Neuntel der Kelly-Kinder sind dort gemeldet. So laufen sie auch herum, werden reaktionäre Waschzwangneurotiker entgegnen, doch darum geht es jetzt gar nicht. Allein Vater Daniel wohnt offiziell auf dem Hausboot in Köln- Mülheim. Wie bringt er von da aus seine Kinderschar ins Bett?
Daß alles aufgeflogen ist, daran haben jedoch die Kellys selbst schuld. Um eine Kinderarbeitserlaubnis für Angelo und Maite hatten sie ersucht und dadurch die Aufmerksamkeit der Behörden erregt. Verständlich. Das ist ein Fehler, den andere Leute beispielsweise gegenüber dem Finanzamt begehen. Wenn die erst mal wissen, daß man existiert, ist es aus.
Als nächstes werden wohl die Steuerbehörden Unruhe ins jährlich 50 Millionen Mark umsetzende Lautenspiel der Großfamilie bringen. Wir empfehlen spätestens dann Flann O'Briens „Trost und Rat“-Büchlein. Ein bedeutender Ire kann etwas weniger bedeutenden Iren vielleicht was bedeuten. Dietrich zur Nedden
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