piwik no script img

■ Standbild„...durchgelaufen...“

„Bayern München – Borussia Dortmund, Sat.1; „Wetten, daß...?“, ZDF, Sa., ab 20.00 Uhr

Alles Übungssache. Vor Jahren ging sogar der „Weiße Hai“ zusammen mit einem Boris-Becker-Endspiel. Simultan. Die Ereignisverluste hielten sich in Grenzen. Beckers Matchball hatte natürlich Priorität. Daß zeitgleich im Schlund des Hais eine Gasflasche explodierte, war traurig, aber der Preis fürs Simultan-Fernsehen. Nun die harte Aufgabe, gleich zwei Sendungen parallel zu genießen. James Bond in der ARD war von Anfang an aufs Video abgeschoben. Und die „Tagesschau“ sowieso: Wozu hat man Videotext?

Anstoß in München. Nichts passiert. Dortmund wie gelähmt. 20.16 Uhr, Eurovisionsfanfare, nur mal reingucken zu Thomas Gottschalk. Und: Wann kommt Take That? Keine Auskunft. Dafür Inge Meysel als Garderobenfrau im Rotkreuzlook. In München steht's der Stimme Werner Hanschs nach zu urteilen noch 0:0. Beim ZDF steht Frank Elstner und lächelt. In München wird Thomas Helmer vom Platz getragen. Blutet er? Nein. Also zurück zum Familienprogramm. War schon 'ne Wette? Ist jetzt Halbzeit? Ja.

Reinhold Beckmann erklärt, daß das Tor das Ergebnis eines „Zuckerpaß von Matthäus“ gewesen sei. Tor? Glaube ich nicht. Doch statt der Wiederholung kommt nun – Werbung. Währenddessen hoppeln im ZDF junge Mädchen über eine wackelige Brücke. Roberto Blanco winkt in die Kamera. Frolleins kreischen nach Take That. Dann kommen sie und sehen aus wie Krankenpfleger. Mädchen weinen, Männer schreien. Nichts los im Münchner Olympiastadion? Auf der Anzeigetafel steht 1:0 für München. Muß wohl doch stimmen. Werner Hansch: „Schappi war durchgelaufen.“ Dann Abpfiff. Aber Schluß? Nein, erst Werbung – und andererseits eine Wette mit einem Segelschiff. Gottschalk gibt nicht locker und überzieht vorsätzlich. Dem Fußball keine Samstagabendchance. Schließlich Blasmusik aus dem Bus. Und Franz Beckenbauer mit Basekäppi. Versehentlich zur ARD gezappt, klassischer Drück- und Fingerfehler. Take That. Beckmann mit Muffmiene. Gottschalk beim Blutspenden: „Ich hab' Sat.1-Blut“, höhnt er. Und: „Weint ruhig leise weiter.“ Die Schreie in der Halle verdimmen zum Wimmern. Einer sagt, daß der deutsche Fußball gar nicht so schlecht ist. Wetten, daß James Bond die beste Entscheidung gewesen wäre? Jan Feddersen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen