: „Ich war ein Instrument des BND“
Ein V-Mann packt aus. Agent Rafa, der Mann, der 1994 den Transport von russischem Plutonium nach Deutschland mitorganisierte, erhebt schwere Vorwürfe gegen seinen damaligen Arbeitgeber: „Herr Schmidbauer und der Bundesnachrichtendienst haben gelogen, und sie wissen es.“ Der Plutoniumschmuggel wurde inszeniert. Die Operation hätte zu jedem Zeitpunkt noch gestoppt werden können, doch Rafa sollte sie wegen der anstehenden Wahlen beschleunigen. ■ Aus Madrid Holger Kulick und Brigitte Müller
WWarum reden Sie jetzt mit uns und brechen Ihre Schweigepflicht? Aus Rache oder weil Sie Ihr Gewissen plagt?
Rafa: Wenn man ein Schweigepflichtabkommen unterschreibt, tut man das in der Gewißheit, daß auch gilt, was ausgemacht wurde. Ich unterschrieb das auf Aufforderung des BND. Ich habe diese Abmachung nicht gebrochen, der BND hat das getan. Hätte er mich richtig bezahlt, hätte er mir Schutz gewährt vor den Leuten, die mir Gefahr bedeuten, hätte er sich also an alle Abmachungen gehalten, dann gebe ich Ihnen mein Ehrenwort, von mir hätte keiner ein Wort gehört, niemals ein Journalist, ich wäre verschwunden. Ein Jahr habe ich mich daran gehalten, aber jetzt muß ich mich verteidigen. Und ich warne den BND: Sollte mir etwas zustoßen, werden gewisse Unterlagen veröffentlicht, die ich besitze.
Was macht Ihnen angst?
Es ist doch ein sonderbarer Zufall, daß sich Herr Roberto (ebenfalls ein V-Mann in Madrid, der anfangs in die Plutoniumaffäre verwickelt war; Anm. d. Red.) jetzt im Gefängnis in Malaga befindet. Wo er doch ein Leben lang als V-Mann gegen Drogenschmuggel gekämpft hat. Mich befremdet, daß sich jetzt bei ihm Drogen fanden, das ist für mich seltsam. Vielleicht wird mir das gleiche passieren.
Wie hat sich die ganze Geschichte überhaupt entwickelt? Ging die von Ihnen aus oder vom BND?
Ich war überhaupt erst ab Mai 1994 V-Mann für den BND. Um mich kennenzulernen, kam damals sogar Herr Matthias Hochfeld vom BND (Abteilungsleiter des zuständigen Referats 11 a vom BND; Anm. der Red) nach Madrid. Aber zunächst sollte es um Drogen gehen. Die Leute in Spanien, die damals am Verkauf von Plutonium interessiert waren, gaben mir ein Waffen-Dossier, zu denen auch Nuklearköpfe gehörten. Ich übergab sie den Vertretern des BND in der Madrider Botschaft und setzte die Gespräche mit diesen Leuten fort. Damals war ich jedoch in eine Drogenfahndung eingebunden, die in Hamburg durchgeführt werden sollte. Da sagte Sybilla, die Mitarbeiterin des BND in Madrid war, ich sollte alles liegenlassen und mich auf Plutonium konzentrieren und zwar auf Anordnung ihrer Zentrale. Wir hielten wöchentlich Versammlungen ab, ich hielt sie ständig auf dem laufenden, ich übergab ihr täglich schriftliche Protokolle. Jetzt sind diese Berichte unauffindbar. Ich gab ihr auch Tonbandaufzeichnungen, die jetzt verschwunden sind. Entweder hat sie jetzt noch Sybilla, oder der BND hat sie verschwinden lassen.
Wenn es durch Sie seitens des BND keine Nachfrage gegeben hätte ...
... wäre das Plutoniumgeschäft nicht zustandegekommen. Es gibt keinen Plutoniumhandel oder -markt! Es gibt nur sehr viele Aufträge. Geld haben wir dabei nicht angeboten. Die Herren machten einen Preis von 71.000 Dollar pro Gramm, und ich erreichte in den Verhandlungen, daß sie auf 69.000 runtergingen.
Warum schaltete sich der BND überhaupt ein, und warum suchten die Händler nicht weiter in Spanien nach Käufern?
Weil es keinen Plutoniummarkt gibt, möchte ich wiederholen. In Spanien wollte niemand Plutonium kaufen. Und in Deutschland gab es jetzt die Nachfrage im Auftrag des BND.
Heißt das, nun entstand durch die BND-Nachfrage eine Art künstlicher Markt?
Sie haben einen Markt eröffnet. Und dann war er geöffnet.
Von wem ging das Angebot ursprünglich aus?
Für Plutonium? Von Fernandez Martin in Madrid, er sagte mir, er könne Plutonium besorgen. Seit er aus Deutschland zurückkam, habe ich ihn nicht mehr gesehen, aber er gehört zu denen, die mich suchen.
Wieso sucht er Sie?
Er sucht mich, weil er mich töten möchte. Weil er jetzt weiß, wer ich bin. Dabei forderte der leitende Staatsanwalt damals, daß ich unter keinen Umständen erklären dürfte und daß niemand wissen sollte, wer ich bin. Das forderte der Staatsanwalt. Auch die BND-Chefs sagten mir dann, daß ich unter keinen Umständen vor Gericht aussagen dürfte, weil Geheimdienste so etwas nicht zulassen. Es wäre noch nie vorgekommen, daß ein Geheimdienst einen seiner Mitarbeiter aufdeckt. Aus Angst haben sie das dann nicht eingehalten und haben meinen Namen veröffentlicht und meine Adresse preisgegeben. Und ein Foto von mir wurde in El Pais veröffentlicht, obwohl nur der BND dieses Foto besaß ... Auch Focus hat jetzt Fotos von mir veröffentlicht, die nur vom BND kommen können.
Wie wurde eigentlich München zum Marktplatz des Deals?
Fernandez sagte mir, Sie hätten eine Probe nach München gebracht, ich hatte an Berlin gedacht, aber einen Ort in Frankreich vorgeschlagen, weil ich dort Leute kenne. Er gab mir die Telefonnummer eines Hotels in München. Ich sprach mit den Leuten und sah, daß sie tatsächlich dort waren. Als ich anfing, der Operation in München Glauben zu schenken, sagte ich Herrn Fischer-Hollweg (dem BND-Residenten in Madrid; die Red.), sie sind in München, in jenem Hotel, dies ist die Nummer. Der BND hätte ihn mit der Probe festnehmen oder verfolgen können.
Aber dann wurden Sie nach München zum Verhandeln geschickt. Wer leitete in München die Geschäfte?
Auf Verkäuferseite Torres, der zunächst tatsächlich in Berlin auf mich gewartet hatte, so sagte er. Aber da waren sie pleitegegangen und weiter Richtung Süden gezogen, um der Grenze nach Frankreich näherzukommen. Dabei wurde München zu ihrer Station. Das paßte dem BND und dem LKA natürlich besonders gut, denn wäre das Geschäft nach Berlin gegangen, hätte die Genehmigung des Bundeskriminalamts eingeholt werden müssen.
Wieso wurde das BKA nicht eingeschaltet?
Die Chefs von LKA und BKA standen miteinander auf Kriegsfuß, wurde mir gesagt. Die Beziehungen zwischen BND und LKA waren dagegen sehr gut, was ich ja auch gesehen habe.
Um wieviel Plutonium sollte es dort gehen?
Die ganze Zeit war von einem halben Kilo die Rede, bis zuletzt von vier Kilo gesprochen wurde. Mir wurde dann aufgetragen, ich sollte mich erst einmal zügig auf das halbe Kilo konzentrieren, denn die Wahlen standen bevor, und es mußte etwas getan werden, um Pluspunkte zu sammeln.
Moment mal, welche Rolle sollten Wahlen dabei spielen?
Wenn ein Land, in dem Wahlen bevorstehen, etwas tut, was noch kein anderes Land gemacht hat, gewinnen die Regierung und die Polizei an Glaubwürdigkeit, denke ich. Und die Wahlen sollten gewonnen werden. Punkt. Nimm das halbe Kilo, hieß es. Überzeuge die Leute und vergiß die 4 Kilo (tatsächlich wurde laut Abhörprotokollen noch am 25. Juli die portionsweise Lieferung von 4 kg Plutonium ausgemacht; Anm. der Red.). Laß es per Flugzeug kommen, denn das ist schneller als der Landweg. Wir haben ja den Flughafen gekauft, da wird es direkt vom Laufband geholt. Dort wurde alles vorbereitet, und zwar am Tag zuvor. Eine ganze Woche im voraus waren da schon Geräte zur Messung der Radioaktivität.
Wer sagte Ihnen, Sie sollen die Operation schnell vor den Wahlen durchführen?
Herr Wilhelm Liesmann alias Michael Brandon alias Adrian vom BND. Er hat mit Herrn Walter (Boeden vom LKA; Anm. d. Red.) geredet und es mir dann erzählt. Ich sagte ihm, ich würde die anderen dann überreden.
Was hat er gesagt?
Daß wir sehr schnell diese 400 Gramm noch vor den Wahlen beschaffen sollen, obwohl ursprünglich diese Operation 20 Tage in Anspruch nehmen würde. Irgendwas redeten sie auch von 5 Prozent. Sie sagten, sie brauchten einen Riesenerfolg, einen Knaller, so würden sie die Wahlunschlüssigen gewinnen wollen. Ab den nächsten Tagen habe ich die Verkäufer dann bearbeitet, endlich die 495 Gramm einzuführen obwohl sie lieber gleich vier Kilo verkaufen wollten. Und ich habe sie überredet, und gesagt: Erst mal dieses halbe Kilo, nach der Bezahlung sollte das andere folgen. Ich habe gute Arbeit geleistet, die anderen sind Biertrinken gegangen und dann verschwunden. Ich mußte mich um das ganze kümmern.
Was war ursprünglich geplant?
Die vier Kilo sollten entweder mit einem russischen Militärflugzeug oder auf dem Landweg von einem Transportunternehmen, das zwischen Hamburg und Rußland verkehrt, transportiert werden. Im Prinzip war die Vereinbarung für den LKW-Transport der 4 Kilo schon fertig, dann sollte ich sie aber überreden, nur das halbe Kilo heranzuschaffen, und zwar im Flugzeug, weil das schneller ging. Herr Torres erhielt etwa eine Million Peseten für den Kauf der Flugkarten, und um überhaupt beweglich zu sein. Ohne diese eine Million Peseten hätte Torres nie nach Rußland reisen können! Die Deutschen sagten Torres dann, daß es in München keine Probleme geben würde, und daß der Flugplatz gekauft war.
Wie waren die Rollen denn aus ihrer Erinnerung verteilt?
Adrian vom BND war der Käufer, von Anfang an und kam von der Käuferorganisation. Walter Boeden trat als Chemiker auf. Er spielte niemals als Käufer eine Rolle. Das wurde erst später so erklärt, um die öffentliche Meinung in Deutschland zu täuschen, denn sie wollten ihre Haut retten. Sicher, Walter konnte nicht Spanisch, deshalb hat Adrian für ihn übersetzt. Aber Adrian selbst hat gesagt, daß Walter Chemiker war. Ich fungierte als Vermittler zwischen dem Verkäufer und der Käuferorganisation. Denn man vermutete, ich wäre Drogenhändler.
War also BND-Mann Adrian der Chef? In Bonn sprachen Sie sogar vom „Kommandochef“?
Ja, er war ein Kommandochef, der als Käufer auftrat. Das war wie in einem Film, er spielte den Kommandochef, der in ein schwarzes Land ziehen wollte, um einen Staatsstreich zu unterstützen als ein Söldner. Er hatte das Geld, er hatte alles, er repräsentierte die Person, die die Macht übernehmen könnte. Es wurde aber nicht gesagt, in welchem Land.
Aber der BND sagt doch, Walter Boeden von Bayerns LKA sei immer der oberste Chef in dieser Gruppierung gewesen?
Wenn Sie weiter den Verlauf des Filmes verfolgen werden: Als wir das Plutonium beschafften, hatten alle etwas Gutes getan und sich Medaillen verdient. Als dann Probleme auftraten, schob einer dem anderen die Schuld zu. Und schließlich ging es gegen mich. Ich weiß, womit das zusammenhängt. Walter sagt, der BND sei der Käufer, der BND sagt: umgekehrt. Und ich stand direkt dazwischen und weiß, wer welche Rolle zu spielen hatte.
Aber auch Sie haben den Lauf der Dinge vorangetrieben!
Ja, aber im Auftrag Ihrer Regierung. Wie mir auch immer bestätigt wurde. Michael Brandon sagte mir das in Gegenwart von Walter: Hier passiert nichts. Denn ich warnte: Vorsicht, hier geschieht ein Verbrechen, ich weiß, was ein Delikt ist. Ich bin seit 24 Jahren professionell dabei und weiß, was es heißt, ein Verbrechen hervorzurufen und Geld zu geben, wie geschehen, damit sie nach Rußland gehen. Herr Torres hat das bar ausgezahlt bekommen, um reisen zu können. Andernfalls hätte die Operation nicht ausgeführt werden können. Darüber spricht niemand.
Ihnen war bekannt, daß Sie gegen das Kriegswaffen-Kontrollgesetz verstoßen?
Ich? Nein, ich handelte entsprechend den Direktiven von Regierungsvertretern. Wenn die Regierung mir sagt, ich solle die Operation durchführen, dann ist das legitim und nicht gegen das Gesetz. Die Regierung wußte Bescheid. Ebenso die Staatsanwaltschaft, wenn es stimmt, daß sie die Tonbandaufzeichnungen abhörte und ihren Segen gab.
Haben Sie ernsthaft den BND gewarnt?
Ja, zu Michael Brandon habe ich gesagt, Vorsicht, wir sollten uns nicht in Unannehmlichkeiten stürzen. Denn wenn Ihr die festnehmt, werden die sagen: Ihr wußtet ja, daß das Plutonium in Rußland ist. In meinem Land, in Spanien, ist das zumindest eine Anstiftung zum Verbrechen, die mit Gefängnisstrafe geahndet wird.
Kann es nicht sein, daß Sie Ihre Position ausgenutzt haben und allzu eigenmächtig handelten?
Auf eigene Faust? Glauben Sie das wirklich? Weder gewöhnliche Polizisten noch BND-Beamte können so etwas tun ohne Genehmigung des Vorgesetzten. Soweit ich den BND kenne, müssen die Leute dort ihren Chef informieren, wenn sie pinkeln gehen. Mir gab Willy Liesmann die Anweisungen, die er von seinem Chef und vom Direktor des BND erhielt.
Aber es gibt Vorwürfe, Sie hätten zu eigenverantwortlich die Sache angetrieben?
Entschuldigen Sie, daß ich lache. Bedenken Sie, ein Spanier, der nicht Deutsch versteht und zum zweiten Mal nach Deutschland kommt, soll über die Infrastruktur, die Macht und das Geld verfügen, Polizei und Nachrichtendienst so zu beeinflussen, daß ein Flughafen gekauft wird und das Plutonium herangeschafft wird. Die Deutschen sind hoffentlich heller im Kopf und wissen, daß dies ohne Autorisation nicht geht.
Dennoch sind Sie so etwas wie ein Agent provocateur in der Sache gewesen. Herr Schmidbauer aber gibt an, in dieser Angelegenheit hat es so jemanden vom BND nie gegeben.
Herrgott, was kann er anderes sagen?
Waren Sie Agent provocateur?
Nein, ich war nur ein Instrument Ihrer Geheimdienste, Ihrer Polizei und Ihrer Regierung, ich war ein instrumento. Wenn es in Deutschland Lügendetektoren geben würde, würde ich mich von ihnen prüfen lassen, ich kann mich öffentlich einer Prüfung unterziehen lassen, egal durch wen. Ich beantworte jede Frage. Und ich behaupte: Herr Schmidbauer und der BND haben gelogen, und sie wissen es.
Nun sagt aber auch Herr Porzner, der Präsident des BND, daß der Plutoniumschmuggel weder vom BND noch seinen Agenten initiiert worden war.
Aber wenn da keine Agenten im Spiel waren, was sind denn Herr Adrian und ich gewesen? Münchener Straßenfeger vielleicht?
Sie sagten vor dem Bonner Plutoniumausschuß im Dezember aus. Warum haben Sie da nicht alles gesagt?
Ich konnte nicht alles sagen, was ich wollte. Denn sie wollten nur, daß ich sage, was sie hören wollten. Und von Journalisten wurde ich abgeschirmt. Sie wollten auch nicht hören, daß meiner Meinung nach Plutonium oder Lithium fehlten. 495 Gramm Plutonium wurden versprochen, aber nur 363 Gramm kamen an. Und ein Kilo Lithium habe ich an Michael Brandon vom BND weitergegeben, der in Wirklichkeit Willy Liesmann hieß. Damals teilte ich auch dem BND mit, daß ich über die Täter wußte, daß sich in einem Labor in Berlin auch 8 bis 10 Kilo Lithium befanden. Erst schlug der BND vor, es zu holen, und es wurde auch ein Auto besorgt, um nach Hamburg oder Berlin zu fahren. Aber dann ging das Plutonium vor. Wenn aber nur ein Kilo Lithium geliefert wurde, müssen noch 8 bis 9 Kilo dort sein. Niemand hat es angerührt.
Vor Gericht sagten Sie, auch das Plutonium sei in Berlin. In Bonn widerriefen Sie das. Wo haben sie gelogen?
Niemals gab es das Plutonium in Berlin, das kann ich versichern. In Deutschland waren damals nur die ungefähr 5 Gramm einer Probe.
Das heißt, ab wann wußten Sie, daß das Plutonium aus Rußland kommen sollte und extra eingeflogen wird?
Schon immer wußten wir, daß das aus Rußland kommt. Daß es mit einer Linienmaschine kommen würde, ungefähr 10 Tage vorher. Hätte man das also noch verhindern können?
Die ganze Operation! Zu jedem Zeitpunkt. Von der Botschaft in Madrid aus hätte man die ganze Operation schon stoppen können. Denn die wußten, daß das Plutonium in Rußland war. Und als ich am 21. Juli nach München kam, war dort bekannt, daß das Plutonium in Rußland war. Vor Gericht habe ich das falsch ausgesagt. Ich weiß, ich muß es gestehen. Ich bitte die deutschen Richter um Entschuldigung. Aber unter solchen Umständen möchte ich nicht wissen, wie sie sich verhalten hätten. Mir wurde immer wieder nahegelegt, im Prozeß nicht die Wahrheit zu sagen.
Wer legte Ihnen das nahe?
Herr Michael Brandon alias Liesmann, der Münchener Anwalt Martin Amelung, zu dem mich der BND (als Zeugenbeistand; die Red.) führte, und Matthias (Matthias Hochfeld; Anm. der Red.). Sie sagten, ich sollte nicht die ganze Wahrheit sagen, es werde schon nichts passieren. Es war nicht so, wie in einer Zeitung stand, daß ich dies vor der Bonner Kommission ausgesagt hätte, weil ich mich von der russischen Mafia bedroht fühlte. Natürlich werde ich bedroht, aber als ich nach Bonn reiste, bedrohte mich die russische Mafia nicht ... So habe ich in München auf Befehl gelogen. Dabei sagte man mir, mach dir keine Sorgen, vor Gericht passiert dir nichts. Man wird dir keinen Eid abverlangen. Was blieb mir aber auch anderes übrig? Ich und meine Familie, wir konnten ja nach allem, was geschehen war, nicht so einfach Ihr Land verlassen. Sie flößten mir damals Angst ein: Ich würde von terroristischen Gruppen gejagt, in Spanien wären bereits Mordpläne gegen mich aufgedeckt worden. Man versprach mir ein Zeugenschutzprogramm, doch es wurde nichts daraus. Wer für die deutsche Regierung arbeitet, sollte Vorsicht walten lassen.
Was genau sollten Sie vor Gericht verschweigen?
Ich sollte nicht zugeben, daß wir wußten, daß sich das Plutonium in Rußland befand. Ich sollte nicht zugeben, daß ich Geld erhalten hatte, und ich sollte nichts über einen russischen Minister für Kernenergie sagen, der mit in der Maschine war.
Hatte der etwas mit dem Plutoniumdeal zu tun?
Er kam wegen des Geldes. So wie ich es erfuhr, wollte er das Geld in seinem Diplomatenkoffer mitnehmen, so wie das Plutonium auch gekommen sein soll. Diese Informationen habe ich auch an den BND weitergegeben, darüber muß es Aufzeichnungen geben.
Nun wird ein Prozeß wegen Falschaussage gegen Sie laufen ...
Vor Gericht habe ich gelogen und das vor dem Ausschuß zugegeben. Ich wurde vom BND und Herrn Amelung beauftragt, so zu handeln. Und was sollte ich tun? Jedesmal, wenn ich zum Gericht mußte, wurde meine Familie um 6 Uhr früh woanders hingebracht. An jedem Prozeßtag habe ich nicht vor der Nacht gewußt, wo meine Familie untergebracht war!
Herr Porzner hat Sie angezeigt!
Ich verlange ja, daß ein Prozeß gegen mich geführt wird. Denn glaubst du, dieser Stoff reicht, um gegen mich zu prozessieren? Aber dann muß alles auf den Tisch. Wieso sollte ich damals eine Schweigeverpflichtung unterschreiben? Doch nur, weil es tatsächlich etwas zu verschweigen gab.
Die Opposition bezeichnet die Affäre als Inszenierung des BND.
Also wenn sie uns dafür nicht bezahlt hätten oder keine Quittungen und Aufträge erteilt hätten, hätte das ganze nicht stattfinden können. Natürlich war das eine Inszenierung. Und mittendrin haben sie einen Spanier an der Nase herumgeführt.
Haben Sie die Auflage erteilt, daß in den Lauschangriffsprotokollen ihre Aussagen als „unverständlich“ gestrichen werden?
Ich habe keine Auflagen erteilt und keinerlei Bedingungen gestellt. Die Auflage hat der BND erteilt, weil er nicht will, daß alles gehört wird. Aus diesen Bändern wäre viel zu erfahren. Beim Hören gibt es vielleicht auch eine Überraschung, denn darauf stellen sich mir die Inhaftierten Oroz und Torres als Herren vom ukrainischen Geheimdienst vor. In meinem Zimmer und auch draußen erzählten Sie mir aus ihrem Leben, denn sie wollten mich für die Zusammenarbeit gewinnen, sie sagten auch ihren Dienstgrad.
Wenn das stimmt, wäre das ja ein Geschäft gewesen, das zwischen Geheimdiensten ablief?
Es war meiner Meinung nach ein Geschäft zwischen einem Land, das Geld braucht und einem Land, das das Verbrechen angestiftet hat.
Was macht Sie denn so sauer?
Bis jetzt habe ich geschwiegen, obwohl sie mir seit einem Jahr keinen Lohn mehr zahlen, 6.000 Mark im Monat. Die Abmachung war auch, daß ich und meine Familie eine neue Identität bekommen. Deswegen haben sie jeden von uns mit einem deutschen Paß versorgt, da wir kein Deutsch können, wurden wir als Kubaner eingetragen, mit deutscher Abstammung. Aber als wir nicht bereit waren, nach Chile auszuwandern, wurden unsere Pässe wieder eingezogen. Ich habe versucht, unsere Probleme zu lösen, ohne schmutzige Wäsche zu waschen, aber da sie jetzt eine Verleumdungskampagne gegen mich starten, werde ich auch vor Gericht ziehen ... Damals hat ein Herr Direktor der drei Dienste zu mir im Namen der Bundesrepublik geredet und mich beglückwünscht, heute werde ich wie ein Verbrecher behandelt ... Dabei habe ich München gerettet, denn hätten die drei Täter aufgegeben, wäre ihre Probe in einem Wasserreservoir Münchens gelandet. Das sagen auch die Cassetten, das weiß auch der BND.
Wozu sollte dieser Plutoniumschmuggel dienen?
Wozu? Weil es die deutschen Geheimdienste interessiert. Wozu sind die deutschen Geheimdienste gut seit dem Mauerfall? Sie wollten eine wichtige Operation durchführen, um ihre Posten zu rechtfertigen und ihr riesiges Budget. Und mich bezahlen sie nicht? Dabei schulden mir sogar die Bayern Geld, sie hatten fest etwa 100.000 Mark Prämie versprochen und dieses Geld fordere ich öffentlich ein. Der BND hat mir nur 75.000 Mark für die erste Anzahlung der Wohnung gegeben. Aber ich besitze auch Quittungen mit gefälschten Unterschriften über Gelder, die ich nie bekommen habe.
Von wem sind die Unterschriften?
Verfälscht, von Referat 11.
Im BND gibt es korrupte Personen?
Ich behaupte und unterstreiche das.
Was würden Sie bei so einem Deal das nächste Mal besser machen?
Ich würde das wirklich nicht noch einmal tun, weil ich es bereue. Die ganze Geschichte hat mein Leben vollständig verändert. Vorher hatte ich alles, ein Geschäft, meine Frau hat in einer Behörde gearbeitet, meine Kinder haben studiert. Jetzt habe ich weder ein Geschäft, noch arbeitet meine Frau, noch studieren meine Kinder. Ich hatte alles, und von heute auf morgen habe ich alles verloren, wegen dem BND, der deutschen Regierung und der deutschen Polizei. Ich sage deutsche Regierung, weil sie im Namen der deutschen Regierung gehandelt haben. Ich würde mit jeder Regierung auf der Welt arbeiten, aber nicht mehr mit ihnen. Aber die bayrische Landespolizei steckt auch tief in dieser Affäre drin, das muß ich zur Gerechtigkeit selbst sagen. In vielen Nächten frage ich mich, war es das wert? Und ich komme zu dem Ergebnis, daß es das niemals wert war. Es war höchstens wert, daß die Plutoniumprobe nicht ins Wasser gegeben wurde oder auf dem Müll gelandet ist. Ansonsten war nichts das alles wert, auch nicht das Geld. Ich bin aus dem BND ausgestiegen. Ich wurde nicht rausgeworfen. Ich bin gegangen, weil ich es satt hatte, diese Lügen, die sie mir seit mehr als einem Jahr an den Kopf werfen. Das hat mich angeekelt, und ich bin gegangen.
Eine Zusammenarbeit mit dem BND kommt also für Sie nicht mehr in Frage?
Mit irgendeinem Geheimdienst der Welt, aber nicht mit dem BND. Das ist ein Dritte-Welt-Geheimdienst. Herr Porzner weiß, daß ich die Wahrheit sage. Er weiß das. Er war über alles informiert. Herr Schmidbauer auch. Jeder soll in seinem Gebiet die Verantwortung übernehmen. Und die kleinen Fische sollen nicht alles abkriegen, die haben schon viel durch ihre Arbeit durchgemacht.
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