piwik no script img

■ StandbildGay and grey

„Wenn Schwule älter werden“, Montag, WDR, 21.45 Uhr

Da stolpert ein älterer Schwuler um die Klappe herum, auf der vergeblichen Suche nach „Frischfleisch“. So sieht das Klischee aus vom alternden Homosexuellen. Die Autorin der Reportage, Marion Schmidt, will uns dieses Bild nicht vorenthalten und greift dafür zurück auf eine Szene aus Praunheims „Nicht der Homosexuelle ist pervers ...“ von 1971. Über die Realität des Klischees und darüber, wie aktuell diese Bilder nach 25 Jahren noch immer sind, erfahren wir nichts.

Dafür werden wir durch ein Stück Homogeschichte – vor allem die der einstigen DDR – geführt und müssen schon befürchten, daß sich die Autorin hoffnungslos verzettelt. Aber die Protagonisten führen uns selbst zurück zur Ausgangsfrage. Einige ältere Schwule treten auf, die zumeist namenlos bleiben und uns – aus welchen Gründen auch immer – nicht vorgestellt werden. Sie erzählen davon, wie sie im Alter leben – und leben möchten. Da ist einer mit seinen Tauben, der seine Partner über Kontaktanzeigen kennenlernt; ein anderer, der im Pflegefall mit seinem Freund zusammenleben will; ein Paar, das sich die Zeit mit Bildungsreisen nach Venedig vertreibt; ein Kölner, der von einer Schwulen-WG träumt. Schließlich ist von den Selbsthilfegruppen die Rede, die Schwule ab 40 überall gründen, um im Alter nicht allein zu sein.

Diese individuellen und kollektiven Ansätze sind sicher ermutigend und unterscheiden sich in nichts von den Versuchen Heterosexueller, das Alter anzugehen. Das Besondere bei jenen, von deren Lebensform die Autorin nur als „Veranlagung“ sprechen kann, wird lediglich in den moralischen Vorhaltungen des Off-Textes gestreift: „Homosexuelle merken oft zu spät, daß sie es versäumt haben, rechtzeitig dauerhafte Bindungen aufzubauen.“

Die Betulichkeit im Umgang mit den armen Alten verhindert dann jeden kritischen Blick auf solche Absurditäten, daß sich Schwule ab 30 schon in einer Lebenskrise wähnen und sich ab 40 in Rentnerklubs zusammenfinden. Wenn dieser „Jugendkult“ als bare Münze genommen wird, dann haben schwule Männer tatsächlich Probleme mit dem Alter. Aber auch davon ist hier nicht die Rede. Vor lauter Bemühen, positive Lebensentwürfe zu zeigen, wird sich an diesem Problem vorbeigemogelt. Elmar Kraushaar

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen