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Ein etwas unsteter Blick

Gregory Peck wird morgen 80 Jahre alt  ■ Von Lars Penning

„He's the Man – Wenn die Lage nach Stärke, Ehre und Anstand verlangt, wenden Sie sich an Gregory Peck“, betitelte die Zeitschrift American Film einen Artikel, der 1989 anläßlich der Verleihung des „Life Achievement Awards“ des American Film Institute an den Weltstar erschien. Ähnlich wie Henry Fonda verkörperte Gregory Peck für mehrere Generationen die Tugend im amerikanischen Kino: Aufrichtigkeit, Prinzipientreue und moderater Liberalismus.

Neben seinem Engagement als Privatmann wurde dieses Image besonders durch seine Rolle als Kleinstadtanwalt in Robert Mulligans „To Kill a Mockingbird“ (1963) geprägt, wo er einen fälschlicherweise der Vergewaltigung und des Mordes an einer weißen Frau bezichtigten Schwarzen verteidigt und zunächst vor dem Lynchmob bewahren kann.

Produktionen mit liberalen politischen Anliegen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Karriere des erklärten Demokraten Peck: In Elia Kazans „Gentleman's Agreement“ (1947) recherchiert er als Journalist zum Thema Antisemitismus, wobei er sich selbst als Jude ausgibt und erleben muß, wie auch seine Verlobte von ihm abrückt; „Pork Shop Hill“ (1959) zeigt den Koreakrieg, wie er wirklich war, und Stanley Kramers „On the Beach“ (1959) warnt in einem Endzeitszenario vor den Gefahren des Atomkrieges.

Wenn man jedoch Pecks bis heute über 50 Filme umfassendes Werk genauer betrachtet, stellt man überrascht fest, daß er stets konsequent versucht hat, jede Art von Typisierung zu vermeiden. So unterschrieb er beispielsweise keine langfristigen Verträge, wie sie seinerzeit für das Studiosystem üblich waren, und wirkte in Filmen nahezu aller Genres mit. Er handhabte den Revolver so geschickt wie die Harpune; die historische Marineuniform stand ihm so gut wie ein grauer Flanellanzug oder die Fliegerkombination.

Nur selten spielte er in zwei Filmen des gleichen Genres hintereinander. So lehnte er zum Beispiel die Rolle des Sheriffs in „High Noon“ ab, weil sie ihm zu nah an seiner Verkörperung des müden, melancholischen Revolverhelden Jimmy Ringo in „The Gunfighter“ (1950) erschien. Pecks Western sind der gelungene Versuch, sich auch innerhalb einzelner Genres nicht auf ein bestimmtes Image festlegen zu lassen: Für Kostüme und Maske in „The Gunfighter“ orientierten sich Peck und Regisseur Henry King an alten Fotos des historischen Westens, weshalb Jimmy Ringo im Film letztlich mit einem authentischen Schnurrbart zu sehen ist, sehr zum Unwillen der Herren Skouras und Zanuck aus der Chefetage der 20th Century-Fox: Da die Zuschauer glattrasierte Helden bevorzugten, habe sie Pecks „verunstaltetes“ Gesicht Millionen gekostet, befanden sie noch Jahre später.

Zweimal war Peck bereits zuvor in Western aufgetreten: William Wellmans „Yellow Sky“ (1948) zeigte ihn als Anführer einer Banditengang, die sich in eine Geisterstadt flüchtet, und in dem von Selznick produzierten Supermelodram „Duel in the Sun“ (1946) verbindet ihn als schwarzgekleideten Schurken eine Haßliebe mit dem schönen Halbblut Jennifer Jones, weshalb der Film scherzhaft auch gern „Lust in the Dust“ genannt wurde. Peck hatte eine Menge Spaß bei den Dreharbeiten, meinte jedoch später etwas flapsig: „Das hatte mit Schauspielern nicht viel zu tun. Ich ritt auf Pferden, fummelte mit Jennifer rum und erschoß den armen, alten Charley Bickford.“

In Filmen wie Wylers „The Big Country“ (1958) oder Kings „The Bravados (1958), wo er als Rächer seiner ermordeten Frau am Ende feststellen muß, daß er die falschen Leute umgebracht hat, setzte er den von ihm gewählten Weg, seine Charaktere zu variieren, konsequent fort. Henry King, mit dem Peck insgesamt sechs Filme drehte, war sein Lieblingsregisseur: „Er war jenes Ein-Mann-Publikum, dem ich vollständig vertraute. Wenn ich ihm etwas vorspielte, und es gefiel ihm, dann war ich ziemlich sicher, auf dem richtigen Weg zu sein.“

Vielseitigkeit zeigte Peck auch in seinen Seefahrerfilmen: als grausam-sanfter „Captain Horatio Hornblower“ (1951) in Raoul Walshs romantischen Seekriegsabenteuer, mit Virginia Mayo an seiner Seite, und als rauhbeiniger Robbenjäger in Walshs „The World in his Arms“ (1952). In „Moby Dick“ (1956) fühlte er sich fehlbesetzt: Er fand keinen Zugang zur Figur des Captain Ahab („ein armer Irrer“) und meinte: „Die ganze Geschichte gehört zwischen zwei Buchdeckel.“

Die Lust, ständig etwas Neues zu probieren, führt Peck auf seine Vergangenheit als Theaterschauspieler zurück. Bevor er 1944 für seinen ersten Film „Days of Glory“ verpflichtet wurde, hatte Peck Schauspielkurse an der Neighborhood Playhouse Drama School absolviert und war in nahezu fünfzig Bühnenstücken aufgetreten. Seine Ausbildung nach der Stanislawski-Methode brachte ihn jedoch in Schwierigkeiten, als er mit Alfred Hitchcock an „Spellbound“ (1945) und „The Paradine Case“ (1947) arbeitete. „Hitchcock legte großen Wert auf die Vorbereitung und sah bereits jeden Meter Film vor seinem geistigen Auge, bevor er mit den Dreharbeiten begann. Er wußte schon vorher, welchen Gesichtsausdruck und welche Gesten er sehen wollte.“ Peck hätte „von außen nach innen“ spielen müssen – nach eigener Einschätzung fehlte es ihm zu der Zeit an entsprechender Erfahrung.

Sein etwas unsteter Blick, der ihn wie viele Method-Schauspieler auszeichnet, führte dazu, daß er häufig eine neurotische Komponente in seine Rollen einbringen konnte. In den Kriegsfilmen „Twelve O'Clock High“ (1949) und „The Purple Plain (1955) steht er kurz vor dem Nervenzusammenbruch, in „Spellbound“ und „Mirage“ (1965) leidet er an Amnesie. In Stanley Donens psychedelischem Pop-art-Thriller „Arabesque“ (1966) wird er sogar unter Drogen gesetzt und legt meist eine amüsierte Verwirrtheit an den Tag – wie er überhaupt seine Tugendhaftigkeit mit gelegentlichem Schalk zu moderieren verstand.

Morgen wird Gregory Peck achtzig Jahre alt.

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