: Gläserne Denkzellen
■ Auf dem Berliner Büromöbelmarkt blüht die Konkurrenz: ökologisches, gesundes oder skandinavisches Design
„Mehr Spaß im Lebensraum Büro“, steht in roten Lettern auf dem schrillen Bild im Foyer. Boecker ist der größte Büromöbelhändler Berlins. Moderne Unternehmenskultur bedeutet heute eben auch räumliche Transparenz. Deshalb steigen viele Firmen auf Großraumbüros um. Eine gefragte Alternative sind Kombi-Büros: Neben abgeteilten, aber verglasten Denkzellen gibt es einen offenen Kommunikationsbereich mit Sitzgelegenheiten. Dort kann man sich zum Ideenaustausch oder zu Geschäftsgesprächen treffen.
Die Einrichtung solcher Büros soll gesundheitsgerecht sein und so variabel, daß man sie unkompliziert neu arrangieren kann, erklärt Boecker-Geschäftsführer Gerd Emge: „Im Mittelpunkt steht der Mensch“, heißt daher auch Boeckers Unternehmensphilosophie.
Bei Boecker gibt es auf mehr als 3.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche ganz unterschiedliche Büromöbel – von ökologischen Massivholzstücken aus Skandinavien über Möbel im klassischen Wiener Kaffeehausstil bis zu edel designten, lederbezogenen Chefschreibtischen aus Italien.
Boecker erarbeitet mit Hilfe der CAD-Technik komplette Einrichtungskonzepte samt der Vorhänge und Bodenbelege, der Licht- und Klimatechnik und sogar inklusive adäquater Kunst für das jeweilige Büro. Auf einer ganzen Etage des Firmensitzes gibt es regelmäßig Ausstellungen junger Künstler. Boecker gehört zu den wenigen Büromöbelgeschäften in Berlin, die es sich leisten können, großzügig imageförderndes Kultursponsoring zu betreiben. Denn der Laden ist eine Tochterfirma des finanzstarken Möbelherstellers König & Neurath.
Insgesamt läuft das Geschäft mit Büromöbeln nicht so gut, wie man angesichts des Baubooms in Berlin vermuten könnte. Noch stehen mehr als eine Million Quadratmeter Büroflächen leer. „Eine spürbare Verbesserung wird es wohl erst ab 1998 geben, wenn der Regierungsumzug beginnt“, so Emge. „Es werden nur die Händler überleben, die ausreichend wirtschaftlichen Rückhalt haben“, vermutet er. Auch Boecker konnte bislang zwei Etagen nicht vermieten. Für Emge ist das allerdings eine „ideale Konstellation“, denn „solange die Räume leerstehen, können wir sie für unsere Kunst- und Jazzabende nutzen“.
Ein neuer Konkurrent auf dem Markt ist der schwedische Unternehmer Kinnarps. Der größte Hersteller von Büromöbeln in Skandinavien hat sich 1994 in Berlin niedergelassen. Von hier aus will er mit seinen Holzmöbeln ganz Deutschland erobern. „Wir haben ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, weil unsere Fabrik in Schweden stark automatisiert ist. Deshalb können wir sehr kostengünstig produzieren“, sagt Sören Persson, Geschäftsführer von Kinnarps in Deutschland.
Die farbliche Gestaltung der Möbel hat man schnell dem deutschen Geschmack angepaßt: Während sich in Schweden bunte Muster und Aufdrucke mit Naturmotiven gut verkaufen, wurde die Möbelkollektion in Berlin auf Anraten der deutschen Innenarchitekten erheblich nüchterner gestaltet: Einfarbige Arrangements in Grau, Blau und Schwarz dominieren die Ausstellung. Besonders stolz ist Persson auf die umweltgerechte Herstellung der Kinnarps-Produkte: Die Hölzer stammen aus nachwachsenden Wäldern, die Schaumstoffe enthalten kein FCKW, und die Oberflächen werden ausschließlich mit wasserlöslichen Lacken behandelt.
Doch unter dem Buche- und Eichefurnier der Kinnarps-Möbel verstecken sich „ganz ordinäre Spanplatten“, bemängelt Volker Gierga, Mitinhaber von BAM, einem kleinen Büromöbelabholermarkt in Charlottenburg. „Kinnarps vermarktet sein Naturimage sehr clever“, so Gierga. Er und seine Partnerin Patricia Schneider wollen „nicht Design um jeden Preis“, sondern vor allem benutzerfreundliche Möbel anbieten. Deshalb arbeiten sie eng mit Physiotherapeuten zusammen.
Neu in ihrem Sortiment ist beispielsweise der ergonomische „Duo-Back“-Drehstuhl (ab 670 Mark). „Ein solches Produkt erfordert eine intensive Beratung“, sagt Gierga, „weil es individuell eingestellt werden muß.“ Doch das lohnt sich. Die Rückenlehne des „Duo-Back“-Drehstuhls besteht aus zwei beweglichen Polstern, die die Wirbelsäule stark entlasten. Der Stuhl wurde von Orthopäden getestet und wird inzwischen auch in vielen Reha-Kliniken eingesetzt. Ole Schulz
BAM, Neue Christstraße 5,
14059 Berlin
Boecker, Kitzingstraße 25,
12277 Berlin
Kinnarps, Einemstraße 24,
10787 Berlin
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