■ Dublin: Europa ist gut, aber mit Grenzen
„Alles Eigenbedarf?“ Der Zöllner an der inneririschen Grenze bei Dundalk schaute ungläubig auf das Auto, das unter der Last von 35 Kartons Rotwein zusammenzubrechen drohte. „Geburtstagsfeier“, antwortete ich, „150 Gäste.“ Das sei merkwürdig, antwortete der Uniformträger sarkastisch, „die Hälfte der Bevölkerung scheint sich jedes Wochenende bei der anderen Hälfte auf Geburtstagsfesten herumzutreiben – sollten die Zollerklärungen bei der Einreise stimmen.“ Ob er das Gegenteil beweisen könnte? Na also. 200 Flaschen für den eigenen Verbrauch dürfen legal importiert werden. Da Wein in Nordirland im Schnitt um ein Pfund pro Flasche billiger als in der Republik Irland ist, macht das insgesamt ... Europa ist gut!
Aber mit Grenzen. In Pettigo im Nordwesten haben sie einen Grenzfluß, der das Dorf in zwei Hälften und Nationalitäten teilt. Im Norden sind die Telefone rot und nehmen Sterling, im Süden sind sie grün und nehmen Punt. Weil die Grenze so absurd ist, veranstalten die BewohnerInnen jeden Ostersonntag ein Entenrennen: 600 Plastikenten werden in den Termon geworfen, und die Ente, die zuerst unter der Brücke flußabwärts hindurchschwimmt, hat gewonnen. Östlich von Pettigo, im „Bandit Country“, geht es rüder zu. Auf den Wiesen im Grenzgebiet veranstalten sie illegale Hahnenkämpfe. Die Einsätze sind hoch, wenn die Polizei kommt, rückt die Bande über die Grenze aus.
Die innerirische Grenze wird vermutlich als letzte in der EU verschwinden. Die Dubliner Regierung hat ihre Grenzposten mit zusammenklappbaren Stoppschildern aus Holz und Regenschirmen ausgerüstet. Vor ein paar Jahren hatte man einen Architektenwettbewerb um das schönste Design für moderne Zollhäuschen ausgeschrieben. Als die Sache bekannt wurde, hagelte es Proteste, weil steinerne Zollhäuschen einer Anerkennung der Grenze gleichgekommen wären. So stehen die Beamten weiterhin mit Regenschirm und hölzernem Stoppschild an den Grenzstraßen.
Aber irgendwann ist auch diese Grenze fällig. Dann ist es aus mit Hahnenkämpfen, aber leider auch mit Entenrennen und billigem Wein.Ralf Sotscheck
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