piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ Publizist Melvin Lasky spricht über seine Arbeit beim „Monat“

„Ich möchte sagen, daß wir uns solidarisch fühlen mit den Schriftstellern und Künstlern Sowjetrußlands. Auch sie kennen den Druck und die Zensur. Auch sie stehen im Kampf um die kulturelle Freiheit...“ Damit endete die Rede des amerikanischen Publizisten Melvin J. Lasky auf dem ersten gesamtdeutschen Schriftstellerkongreß 1947 im sowjetischen Sektor Berlins. Valentin Katajew, einer der drei angereisten sowjetischen Vertreter, entgegnete: „Ich bin sehr erfreut, endlich einen lebenden Kriegsbrandstifter zu Gesicht bekommen zu haben.“ Damit war es auf einen Schlag vorbei mit der trügerischen Einigkeit der Schriftsteller in Zeiten des hereinbrechenden Kalten Krieges. Lasky wurde zum Haßobjekt der sowjetischen Besatzungspolitiker und der deutschen Presse in der SBZ. Einen Menschen „von abstoßendem Äußeren“ nannte A. Dymschitz, der höchste sowjetische Kulturoffizier, den amerikanischen Reporter, und selbst in Literaturgeschichten jüngsten Datums wird er als „Antikommunist von Profession“ (Ralf Schnell) diskreditiert.

Lasky, der 1920 in New York geboren wurde, kam nach Kriegsende als amerikanischer Kulturoffizier nach Berlin. Im Kulturleben der Nachkriegsjahre spielte er bald eine wichtige Rolle. Ein Jahr nach seinem spektakulären Auftritt beim Schriftstellerkongreß im Deutschen Theater gründete er mit Unterstützung der Militärregierung die politisch-kulturelle Zeitschrift Der Monat, die bis 1971 regelmäßig erschien und – nach einem Wiederbelebungsversuch 1978 – neun Jahre später eingestellt wurde. Ihre größte Bedeutung hatte die Zeitschrift zweifellos in den ersten Jahren nach dem Krieg. Nach 12 Jahren geistiger Ödnis gab es einen enormen Nachholbedarf.

Im Monat schrieben Autoren wie Bertrand Russell, Arthur Koestler, Jean Paul Sartre, Max Frisch, Thornton Wilder, George Orwell, Hans Werner Richter und Ernst Robert Curtius. Die Zeitschrift präsentierte eine bunte Mischung politischer und kultureller Grundanschauungen, von kulturpessimistischen Ansichten bis hin zum unorthodoxen Marxismus. Genau in dieser Vielfalt erkannte die Gegenseite die eigentliche Gefahr, die von der Zeitschrift für das politische Klima im Osten ausging. Als 1967 bekannt wurde, daß Der Monat zum Teil mit Mitteln der CIA finanziert wurde, schien das wie ein später Triumph der sowjetischen Seite. An der Bedeutung der Zeitschrift für das geistige Leben im Nachkriegsdeutschland ändert das allerdings nichts. Nach 1989 trifft Lasky mit einem Kontrahenten des Schriftstellerkongresses von 1947 zusammen: Wolfgang Harich. Der streckt ihm zur Begrüßung die Hand entgegen: „Mein alter Freund, Sie haben gesiegt!“ Peter Walther

Melvin Lasky über seine Arbeit beim Monat : Sa., 15 Uhr, Bibliothek der Konrad-Adenauer-Stiftung, Am Molkenmarkt 1, Mitte

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen